Prozess wegen Öcalan-Fahne in Nürnberg

Vor dem Amtsgericht Nürnberg findet am Mittwoch ein Prozess wegen des Tragens einer Öcalan-Fahne auf einer Demonstration gegen die Isolation Abdullah Öcalans statt. Die Rote Hilfe ruft zur solidarischen Prozessbegleitung auf.

Im Oktober 2017 fand in Nürnberg eine Demonstration vom Medya Volkshaus unter dem Motto „Lasst uns die Totalisolation Öcalans durchbrechen“ statt. Knapp ein Jahr später hält die Isolation des PKK-Gründers weiter an und am 12. September 2018 findet um 12.30 Uhr vor dem Amtsgericht Nürnberg ein Gerichtsprozess gegen einen Aktivisten wegen mutmaßlichen Tragens einer Fahne mit dem Bild Abdullah Öcalans statt. Dem Angeklagten wird vorgeworfen, bei genannter Versammlung eine Fahne hochgehalten zu haben, „die die Abbildung Öcalans auf gelbem Hintergrund zeigte“ (Zitat aus Anklageschrift).

„Mit seinen Ideen die Revolution von Rojava inspiriert“

Die Nürnberger Rote Hilfe ruft zu solidarischer Prozessbegleitung auf. In ihrem Aufruf schreibt sie:

„Die Demonstration forderte die Freiheit von Abdullah Öcalan. Seit dem 15. Februar 1999 befindet sich der Vordenker der kurdischen Befreiungsbewegung Abdullah Öcalan in türkischer Haft. Abdullah Öcalan, Gründer der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), hat viele Jahre den Kampf für die Rechte der Kurdinnen und Kurden angeführt. 1999 wurde er aus Kenia in die Türkei verschleppt. In Haft schrieb er zahlreiche Bücher, in denen er sich für eine Demokratisierung der Türkei und der gesamten Region einsetzt. Er inspirierte mit seinen Ideen die demokratische und feministische Revolution in Nordsyrien / Rojava.

Zwanzig Jahre Isolationshaft

Seit fast 20 Jahren sitzt Öcalan in Isolationshaft auf der Gefängnisinsel Imrali, dem türkischen Gegenstück zu Robben Island. Für mehr als zehn Jahre war Öcalan der einzige Häftling auf Imrali. Trotz seiner unbeschreiblichen Haftbedingungen hat er nie die Hoffnung auf eine friedliche Lösung für die Konflikte im Mittleren Osten aufgegeben, insbesondere für die kurdische Frage. Mehrere Jahre verhandelte die türkische Regierung mit Öcalan über eine Lösung des Konflikts. In Nordsyrien haben die Menschen nach seinen Ideen ein multiethnisches, multireligiöses demokratisches System aufgebaut. Öcalan wurde damit zu einem Symbol der Hoffnung auf Frieden und Demokratie in dieser krisengeschüttelten Region. 3,5 Millionen Kurdinnen und Kurden haben sich 2005/2006 mit ihrer Unterschrift für ihn als ihren politischen Repräsentanten ausgesprochen. Diese Menschen vertrauen Öcalan als Politiker und sehen in ihm ihr wichtigstes Symbol für den Kampf um Freiheit, Frieden und Demokratie. Wie Nelson Mandela repräsentiert Abdullah Öcalan den politischen Willen seines Volkes. Seine Freiheit ist daher entscheidend für einen dauerhaften Frieden in der Türkei, Syrien und in Kurdistan

Seit zwei Jahren kein Lebenszeichen

Seit dem 5. April 2015 sind die Isolationsbedingungen auf der Gefängnisinsel Imrali im Marmara-Meer verschärft worden. Sein Verteidigerteam hat den kurdischen Politiker zuletzt am 27. Juli 2011 besuchen können. Im Zuge der damaligen Gespräche zwischen der kurdischen Befreiungsbewegung und dem türkischen Staat war zuletzt am 5. April 2015 eine Abordnung der HDP auf Imrali. Aufgrund des öffentlichen Drucks fand am 11. September 2016 ein kurzer Besuch von Öcalans Bruder auf der Gefängnisinsel statt. Seitdem hat es keinerlei Kontakt mehr zu Öcalan gegeben.

Jugendmarsch verboten

Seit Jahren finden weltweit Aktionen, Versammlungen, Demonstrationen und vieles mehr statt um auf die unmenschliche Situation Öcalans aufmerksam zu machen. So sollte erst am 2. September 2018 in Dortmund ein langer Jugendmarsch unter dem Motto „Erhebe dich gegen den Faschismus, befreie Rêber Apo“ starten. Die Jugendlichen wollten sechs Tage lang bis nach Düsseldorf laufen. Doch die jugendlichen Aktivist*innen hatten mit polizeilicher Willkür und deutschen Repressionsbehörden zu kämpfen. Der Jugendmarsch wurde verboten.

Unverhältnismäßige Repression in München

In München stehen unverhältnismäßig repressive Maßnahmen gegen Aktivist*innen, die sich mit dem kurdischen Befreiungskampf solidarisieren, an der Tagesordnung. Menschen, die Artikel auf Facebook teilen, die über diese Maßnahmen berichten, werden ebenso zum Zielobjekt „deutscher Rechtsstaatlichkeit“ und mal schnell um 6 Uhr morgens aus dem Bett gerissen. Anschließend wird ihre Wohnung durchsucht und unter den fadenscheinigsten Begründungen und Drohungen wird ihr Hab und Gut konfisziert.

Repression als Folge von Regierungsabsprachen

Der Rechtshilfefond Azadî bewertet die seit Jahresbeginn deutlich verstärkte Repression gegen kurdische und deutsche Personen und Einrichtungen als „direkte Folge von Abmachungen, die zwischen dem damaligen Bundesaußenminister Sigmar Gabriel und seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Çavuşoğlu bei mehreren Treffen im Januar getroffen wurden. Zusätzlich zu den Waffenlieferungen an die Türkei macht sich die deutsche Bundesregierung auch durch die Bekämpfung jeglicher Solidarität mit Afrin und Rojava zur Kriegspartei an der Seite der Türkei“. Gegen Erdogans Besuch in Berlin am 28.-29. September rufen deutsche, türkische und kurdische Organisationen zu Protesten auf. Im Zentrum steht sein Genozid gegen das kurdische Volk in der Türkei, Syrien und mittlerweile auch im Irak.

Wir verurteilen die Rolle des Deutschen Staates und die Kriminalisierung der kurdischen Befreiungsbewegung aufs Schärfste und rufen zur solidarischen Prozessbegleitung auf. Wir treffen uns deshalb am 12. September 2018 um 12.30 Uhr vor dem Amtsgericht Nürnberg.“