Kampf gegen die Öffentlichkeit am OLG Hamburg
Das Oberlandesgericht Hamburg setzt seinen Kampf gegen die Öffentlichkeit im Verfahren gegen den kurdischen Aktivisten Kenan Ayaz fort. Der Zuschauerraum war heute in Erwartung der Schlussworte des Angeklagten fast vollständig gefüllt. Jedoch unterbrach die Richterin die Hauptverhandlung schon nach eineinhalb Stunden, noch bevor Kenan Ayaz das Wort hatte ergreifen können. Die Unterbrechung diente offenbar allein dem Zweck, die zahlreichen Zuhörenden enttäuscht wieder nach Hause gehen zu lassen. Gleich zu Beginn der Verhandlung drohte die Richterin, den Zuschauerraum räumen zu lassen. Im weiteren Verlauf ging sie immer wieder lautstark die Prozessbeobachter:innen an, wenn diese nicht mucksmäuschenstill waren. Offenkundig suchte das Gericht die Situation zu eskalieren, worauf die Zuschauer:innen aber nicht einstiegen. Auch Kenan Ayaz schien unbeeindruckt. Er sah entspannt aus, lächelte immer wieder in das Publikum und machte das Victory-Zeichen.
Sitzung unterbrochen
Das Gericht nahm als willkommenen Anlass zur Unterbrechung der Verhandlung einen Antrag der Verteidigung. Kenan Ayaz‘ Anwältin Antonia von der Behrens stellte zu Beginn der Verhandlung einen Antrag, in dem sie sich mit dem Plädoyer des Generalbundesanwalts und alten Beschlüssen auseinandersetzte und begründet, warum in Bezug auf das Erkennen von Stimmen, von Übersetzungen und der Überprüfung von Akten noch Beweis erhoben werden muss. Das Gericht forderte daraufhin eine Stellungnahme des Generalbundesanwalts ein. Dieser gab zu bedenken, dass aufgrund einer abgelaufenen Frist der Antrag im Urteil beschieden werden könne, und hielt auch eine Stellungnahme der Richterin nicht unbedingt für notwendig. Das Gericht bestand jedoch darauf und statt dem Generalbundesanwalt die vorgeschlagenen zwei Stunden zur Stellungnahme zu geben, unterbrach die Vorsitzende kurzerhand die Verhandlung.
Dieses Vorgehen richtete sich eindeutig gegen die Zuhörenden, die offenkundig in großer Erwartung des letzten Wortes gekommen waren. Dem Gericht waren die zahlreichen Zuhörerenden von Anfang an ein Dorn im Auge. Zehn Jahre nach dem ersten in Hamburg gesprochenen Urteil gegen einen kurdischen Aktivisten nach § 129b StGB sollte nunmehr eine schnelle und geräuschlose Aburteilung ohne echte individuelle Prüfung und ohne öffentliche Aufmerksamkeit erfolgen.
Aufruf zu weiteren Prozessbegleitung
Doch das Gericht hatte nicht mit der zypriotischen und deutsch-kurdischen Öffentlichkeit gerechnet. Diese war nicht gewillt, das harsche Vorgehen gegen einen kurdischen, seit seiner Jugend durch den türkischen Staat verfolgten Menschen wie Kenan Ayaz einfach so hinzunehmen. Stets war der Zuschauerraum besetzt, zum Teil sogar mit großen Gruppen, die nicht alle Platz im Saal fanden. Aus Zypern reisten nicht nur Kenan Ayaz‘ Verteidiger regelmäßig an, sondern auch Journalisten, Abgeordnete und politisch Aktive. Bis auf gelegentliches kurzzeitiges – und in solchen Verfahren durchaus übliches – Klatschen gingen keinerlei Störungen von den Zuschauenden aus. Und trotzdem waren es von Anfang die Zuhörenden, gegen die sich der Unmut der Vorsitzenden Richterin richtete.
„Es ist offensichtlich, dass Richterin Wende-Spohrs ein massives Problem mit der Öffentlichkeit hat. Bei jeder kleinen Regung aus dem Publikum reagiert sie aggressiv und teilweise beleidigend. Es scheint, als ob sie die Prozessbeobachtung ganz unterbinden möchte. Um so wichtiger ist es, dass wir Kenan Ayaz bei seiner Prozesserklärung nicht alleine lassen, bevor er dann jahrelang hinter Gittern verschwindet“, so eine Vertreterin des Komitees #FreeKenan.
Fortsetzung am 11. Juli
Das letzte Wort von Kenan Ayaz soll sehr lang sein und mehrere Tage andauern, nunmehr vorgesehener Beginn ist am Donnerstag, dem 11. Juli. Weitere anberaumte Termine sind am 17.7., 18.7., 22.7. 29.7. und 19.8. Der Prozess findet im 1. Stock des OLG Hamburg am Sievekingplatz 3 statt, entweder in Saal 237 oder 288. Die Verhandlungen beginnen in der Regel um 9:30 Uhr.
Postadresse und Spendenkonto
Auf der Seite kenanwatch.org werden Informationen in den Sprachen Griechisch, Englisch und Deutsch über den Prozess und die Proteste auf Zypern und in Deutschland angeboten. Kenan Ayaz freut sich über Post. Briefe können auch in anderen Sprachen als Kurdisch oder Türkisch geschrieben werden, da eine Übersetzung gewährleistet ist. Zu beachten ist die Schreibweise des Behördennamens „Ayas“, damit die Briefe auch zugestellt werden.
Kenan Ayas
Untersuchungshaftanstalt Hamburg
Holstenglacis 3
20355 Hamburg
Spendenkonto:
Rote Hilfe e.V. OG Hamburg
Stichwort: Free Kenan
IBAN: DE06200100200084610203