Hamburger PKK-Prozess: Letztes Wort für Kenan Ayaz

Nach mehr als acht Monaten geht der Prozess gegen Kenan Ayaz langsam zu Ende. Am Dienstag wird dem kurdischen Aktivisten das „letzte Wort“ gewährt. Das Solidaritätskomitee Free Kenan ruft zu Solidarität auf.

Aufruf zur Solidarität

Der am Oberlandesgericht Hamburg verhandelte PKK-Prozess gegen den kurdischen Aktivisten Kenan Ayaz (offiziell Ayas) steuert seinem Ende entgegen. Kommenden Dienstag wird dem 49-Jährigen das sogenannte letzte Wort gewährt. Er wird die Gelegenheit haben, seine Sicht auf das Verfahren und die Vorwürfe ausführlich darzulegen. Das Solidaritätskomitee Free Kenan ruft Presse und solidarische Menschen auf, dem Prozess beizuwohnen und die Sichtweise von Kenan Ayaz anzuhören.

Anklage fordert 4,5 Jahre Haft

Beim letzten Verhandlungstag gegen Ayaz hatte die Bundesanwaltschaft vergangene Woche viereinhalb Jahre Freiheitsstrafe gefordert. Diese unverhältnismäßig hohe Strafforderung ist nach Auffassung der Verteidigung des Kurden Ausdruck des in jüngster Zeit noch weiter verschärften Vorgehens der deutschen Strafverfolgungsbehörden gegenüber der PKK. Mit dem Strafmaß solle geahndet werden, dass Kenan Ayaz sich nicht reuig zeige und zur kurdischen Sache stehe, erklärten die Berliner Rechtsanwältin Antonia von der Behrens und ihre Kollegen Stephan Kuhn aus Frankfurt und Efstathios C. Efstathiou aus Nikosia nach dem Plädoyer des Staatsanwalts.

Kenan Ayaz, hier beim Prozessauftakt im November, ist einer von zwölf Kurden, die momentan in Deutschland nach §§129a/b StGB in Untersuchungs- oder Strafhaft sind. Die Bundesanwaltschaft stützt sich bei ihren Vorwürfen gegen ihn auf nicht hinterfragbare Geheimdienstinformationen und einseitig interpretierte SMS und Telefonate.


Auf Zypern festgenommen und ausgeliefert

Kenan Ayaz ist im März 2023 aufgrund eines deutschen Auslieferungsersuchens in der Republik Zypern festgenommen worden, wo er seit 2013 als anerkannter politischer Flüchtling lebte. Wegen seiner politischen Aktivitäten war er bereits in der Türkei insgesamt zwölf Jahre im Gefängnis. Seit einem Jahr befindet sich Ayaz nun im Hamburger Untersuchungsgefängnis Holstenglacis, Prozessauftakt war im November. Ihm wird nach §129b StGB vorgeworfen, von 2018 bis 2020 als mutmaßliches PKK-Mitglied verschiedene Gebiete, unter anderem Hamburg, verantwortlich geleitet und hierbei personelle, finanzielle und organisatorische Angelegenheiten koordiniert zu haben. Zum aktuellen Stand des Verfahrens gaben die Verteidiger:innen am Donnerstag folgende Erklärung ab:

Gericht lehnte erneut Beweisanträge ab

Das Hanseatische Oberlandesgericht hat in dem Strafverfahren gegen Kenan Ayas am 19. Juni 2024, dem 31. Hauptverhandlungstag, die Beweisaufnahme geschlossen. Zuvor lehnte es drei weitere Beweisanträge der Verteidigung ab. Dies war nicht verwunderlich, nachdem bisher fast alle der weit über 70 Beweisanträge der Verteidigung abgelehnt worden waren. Damit ist die Beweisaufnahme im Prozess abgeschlossen.

Im Anschluss hielt der Sitzungsvertreter des Generalbundesanwalts sein Plädoyer. Erwartungsgemäß sah er die Anklage durch die Beweisaufnahme in vollem Umfang bestätigt: Die PKK sei eine „ausländische terroristische Vereinigung“ und Kenan Ayas ein „Mitglied der PKK“. Am Ende seines Plädoyers beantragte der Vertreter des Generalbundesanwalts, Kenan Ayas zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten zu verurteilen.

Unverhältnismäßig hohe Strafforderung

Diese unverhältnismäßig hohe Strafforderung ist Ausdruck des in jüngster Zeit noch weiter verschärften Vorgehens der deutschen Strafverfolgungsbehörden gegenüber der PKK. Sie lässt außer Acht, dass Kenan Ayas nicht vorbestraft ist, in der Türkei lange Jahre zu Unrecht inhaftiert war, schwer gefoltert wurde und ihm auch nach Auffassung des Generalbundesanwalts nur wenige konkrete und gewaltfreie Handlungen vorzuwerfen sind. Mit dieser hohen Strafforderung soll sanktioniert werden, dass Kenan Ayas sich weder geständig noch reumütig zeigte, sich also nicht als „Terrorist" bezeichnet, sondern eine klare und unbeugsame Haltung für die kurdische Sache einnimmt.

Solidaritätskomitee Free Kenan

Nach dem „letzten Wort“ für Kenan Ayaz geht der Prozess auch schon weiter. Weitere vom Gericht anberaumte Termine sind am 11., 17., 22. und 29.Juli sowie am 19. August. Verhandelt wird auf der ersten Etage des OLG Hamburg am Sievekingplatz 3, entweder in Saal 237 oder 288. Die Verhandlungen beginnen in der Regel um 9:30 Uhr. Auf der Seite kenanwatch.org werden Informationen in den Sprachen Griechisch, Englisch und Deutsch über den Prozess und die Proteste auf Zypern und in Deutschland angeboten.