Landshuter IS-Rückkehrerin zu Haftstrafe verurteilt

Das OLG Frankfurt hat die Landshuter IS-Rückkehrerin Nadja Ramadan zu drei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Der Senat berücksichtigte bei seinem Urteil eine „schwere Kindheit“ der Angeklagten.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat die Landshuter IS-Rückkehrerin Nadja Ramadan zu drei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Die Deutsch-Libanesin wurde wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland in drei Fällen sowie Kriegsverbrechen gegen Eigentum schuldig gesprochen, wie das Gericht am Mittwoch mitteilte. Sie hatte sich seit September vergangenen Jahres vor dem Staatsschutzsenat zu verantworten.

Die heute 39-jährige Ramadan reiste im Juli 2014 von Frankfurt nach Nordsyrien und schloss sich der Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) an. Kurz nach ihrer Ankunft in Raqqa heiratete sie den gesondert verfolgten IS-Söldner Cem Kula aus Hamburg, den sie erst zwei Monate zuvor auf Facebook kennengelernt hatte. Nach der Hochzeit lebte sie eine vom IS-Leitbild geprägte Ehe und unterstützte ihren Mann, indem sie den Haushalt führte. Nachdem Kula bei einem Einsatz im Februar 2015 ein Bein verloren hatte, half sie ihm dabei, wieder einsatzfähig zu werden. Ab Sommer 2015 war der Türke Funkspäher für den IS. Das Paar lebte von Leistungen der Miliz.

Während ihrer Zeit im Kalifat wandte sich Ramadan via Facebook an heiratswillige Frauen in Deutschland beziehungsweise Europa, um ihnen ihre Unterstützung bei der Ausreise in das IS-Gebiet anzubieten. Den Beitrag setzte sie im August 2014 ab – als der IS im Nordwesten des Irak das ezidische Kerngebiet Şengal überfiel und einen Völkermord und Femizid verübte. Zwischen 2014 und 2016 besetzten Ramadan und Kula zudem mehrere Häuser in der Stadt Tel Afar (auch Tal Afar) östlich von Şengal, deren rechtmäßige christliche Bewohnerschaft vor den herannahenden IS-Söldnern geflohen war. Im September 2016 flüchtete das Paar mit seinem 2015 geborenen gemeinsamen Sohn vor der Anti-IS-Koalition nach Raqqa zurück. 2017 wurde ein weiterer Sohn geboren.

Einmal Dschihad und zurück: Ramadan ist hierzulande bekannt – durch einen „Hilferuf“ an die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Videobotschaft hatten Redakteure der „Zeit“ kurz nach der Festsetzung Ramadans 2017 in einem Lager in Nordostsyrien aufgezeichnet. „Bitte, ich brauche Ihre Hilfe, bitte helfen Sie uns. Ich möchte mit meinen beiden Kindern zurück nach Deutschland. Bitte helfen Sie uns, dass wir ganz schnell zurück nach Deutschland kommen. Ich möchte, dass meine Kinder ganz normal aufwachsen. Dass meine Kinder in den Kindergarten gehen, dass meine Kinder in die Schule gehen“, flehte die Dschihadistin. Foto: Screenshot Zeit


Nach rund drei Jahren im selbsternannten IS-Kalifat wurde Ramadan im Sommer 2017 von den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) gefasst, die das Rückgrat der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) bilden. Zu dem Zeitpunkt befand sie sich auf dem Weg in die Türkei. Der damals von den hiesigen Behörden totgeglaubte Cem Kula, der später ebenfalls festgenommen wurde und sich seither in QSD-Haft befindet, hatte die misslungene Flucht seiner Frau über die syrisch-türkische Grenze organisiert. Bis zu ihrer Rückführung nach Deutschland im Herbst 2022 saß Ramadan in verschiedenen Auffang- und Internierungslagern, die von der Autonomieverwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES) für IS-Dschihadistinnen aus dem europäischen Ausland betrieben werden. Seit ihrer Festnahme am Frankfurter Flughafen Anfang Oktober sitzt sie in Untersuchungshaft.

Senat berücksichtigte schwere Kindheit der Angeklagten

Der Senat berücksichtigte bei seinem Urteil eine schwere Kindheit der Angeklagten. So war Ramadan im Alter von sechs Jahren vom eigenen Vater in den Libanon entführt und mit 14 Jahren mit einem Cousin zwangsverheiratet worden. Zudem gestand sie die Vorwürfe in der Verhandlung. Die Lageraufenthalte wurden ebenfalls mildernd berücksichtigt, jedoch nicht auf die verhängte Strafe angerechnet. Deshalb blieb auch der nach der Auslieferung 2022 verhängte Haftbefehl weiter in Kraft. Das Urteil ist bereits rechtskräftig. Die Generalstaatsanwaltschaft hatte dreieinhalb, die Verteidigung zweieinhalb Jahre Haft beantragt. Gleichwohl wurde jeweils auf Revision verzichtet.

Foto: YPJ-Kämpferin während der Befreiungsoffensive in Til Temir 2015 vor den Trümmern eines Gebäudes mit IS-Kritzeleien an der Mauer