Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt hat Anklage gegen die deutsche Islamistin Nadja Ramadan erhoben. Die gebürtige Landshuterin wird nach Angaben der Behörde vom Donnerstag der Mitgliedschaft in der Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) verdächtigt, außerdem werden ihr Kriegsverbrechen vorgeworfen. Die Anklage wurde beim Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts (OLG) in Frankfurt erhoben und ist noch nicht zur Hauptverhandlung zugelassen.
Einmal Dschihad und zurück
Ramadan ist hierzulande bekannt – durch einen „Hilferuf“ an die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Videobotschaft hatten Redakteure der „Zeit“ kurz nach der Festsetzung Ramadans 2017 in einem von der Autonomieverwaltung Nord- und Ostsyriens (AANES) betriebenen Auffang- und Internierungslager aufgezeichnet. „Bitte, ich brauche Ihre Hilfe, bitte helfen Sie uns. Ich möchte mit meinen beiden Kindern zurück nach Deutschland. Bitte helfen Sie uns, dass wir ganz schnell zurück nach Deutschland kommen. Ich möchte, dass meine Kinder ganz normal aufwachsen. Dass meine Kinder in den Kindergarten gehen, dass meine Kinder in die Schule gehen“, flehte die Dschihadistin.
In Raqqa einen Hamburger IS-Dschihadisten geheiratet
Zuständig für die Ermittlungen gegen Nadja Ramadan ist die Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus Hessen, eine Spezialabteilung der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft. Diese wirft der 38-Jährigen vor, sich ab 2014 in vom IS kontrollierten Gebieten im Norden von Syrien und des Irak aufgehalten zu haben. Laut den Ermittlern habe sich Ramadan seit 2009 in Frankfurt radikalisiert und in den folgenden Jahren die IS-Ideologie übernommen. Im Juli 2014 reiste sie über die Türkei in die nordsyrische Stadt Raqqa. Dort heiratete sie den Hamburger IS-Terroristen Cem Kula, den sie zuvor in einem sozialen Netzwerk kennengelernt hatte. Später gliederte sie sich selbst in die Terrororganisation ein und war für diese als sogenannte Kommunikationsspionin in einem Fernmeldeamt des IS beschäftigt.
Vom IS bezahlt
Genauere Angaben zu Ramadans Tätigkeit macht die Generalstaatsanwaltschaft nicht. Zum Ehemann sei bekannt, dass dieser eine militärische Ausbildung absolviert und anschließend an Kampfhandlungen teilgenommen habe. Die Angeklagte sei ihrem Ehemann zu dessen jeweiligen Einsatzorten gefolgt, habe den Haushalt geführt und die gemeinsamen Kinder erzogen. So habe sie ihrem Mann dessen Tätigkeit für den IS ermöglicht, der beide für ihre „Arbeit“ bezahlte. Die genaue Summe ist nicht bekannt.
Während Genozid in Şengal: Botschaft an „heiratswillige Frauen“
Laut Ermittlungsbehörde habe Nadja Ramadan zudem im August 2014 – als der IS im Nordwesten des Irak das ezidische Kerngebiet Şengal überfiel und einen Völkermord und Femizid verübte – in einem sozialen Netzwerk einen Beitrag veröffentlicht, „um heiratswillige Frauen zur Ausreise aus Deutschland auf das Gebiet des IS zu bewegen“. Von Mai 2015 bis Januar 2017 lebte sie mit ihrem Mann nacheinander in zwei Wohnungen in der Stadt Tal Afar östlich von Şengal, deren rechtmäßige christliche Bewohnerschaft vor den herannahenden IS-Söldnern geflohen war. Daher ist die Beschuldigte auch wegen zwei Kriegsverbrechen gegen das Eigentum angeklagt.
Von Bundesregierung zurückgeholt
Nach rund drei Jahren im selbsternannten IS-Kalifat wurde Ramadan, zwischenzeitlich wieder zurück in Raqqa, im Sommer 2017 von den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) gefasst. Zu dem Zeitpunkt befand sie sich auf dem Weg in die Türkei. Der angeblich totgeglaubte Mann hatte die misslungene Flucht Ramadans über die syrisch-türkische Grenze organisiert. Bis zu ihrer Rückführung nach Deutschland im Oktober 2022 saß die Islamistin in verschiedenen Gefangenenlagern für IS-Dschihadistinnen aus dem europäischen Ausland. Seither befindet sie sich in Untersuchungshaft.