Der kurdische Künstler Ilyas Arzu ist in Abwesenheit von der türkischen Justiz wegen angeblicher „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt worden. Ein Gericht in der Mittelmeerprovinz Adana sah es am Mittwoch als erwiesen an, dass Arzu „unter dem Deckmantel des Musikunterrichts“ Jugendliche durch Indoktrination beeinflusst und für den bewaffneten Kampf der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) rekrutiert hätte. Die Anklage stützte sich größtenteils auf geheime Zeugenaussagen. Seine Verteidigung wies die Vorwürfe zurück und forderte Freispruch. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Ilyas Arzu ist Leadsänger der Band Koma Pel und im kurdischen Kunst- und Kulturverein Binevş organisiert, das in Adana ansässig ist. Im vereinseigenen Musikzentrum Dem unterrichtet er Kinder und Jugendliche in Gesang und Instrumenten. Binevş engagiert sich in der Tradition des in Istanbul ansässigen kurdischen Kulturzentrums Mesopotamien (Navenda Çanda Mezopotamya, NÇM) und befindet sich im permanenten Fokus der türkischen Repressionsbehörden. Immer wieder wurde die Einrichtung in den vergangenen Jahren von polizeilichen Sondereinheiten überfallen und durchsucht, diverse Mitglieder verhaftet und mit Terrorklagen überzogen. Auch Ilyas Arzu war bereits mehrfach im Gefängnis.
Ilyas Arzu (links) und Jiyan Savcı (rechts)
In dem Verfahren, das sich seit Anfang 2020 hinzog, war auch Jiyan Savcı angeklagt. Die Musikerin ist Mitglied der Gruppe Koma Qerin und saß wie Arzu von Mai bis Dezember 2021 im Zusammenhang mit den von der Oberstaatsanwaltschaft Adana erhobenen Terrorvorwürfen gegen sie in Untersuchungshaft. Bei der Urteilsverkündung wurde sie von allen Anklagepunkten freigesprochen. Arzus Anwält:innen kündigten indes noch im Gerichtssaal Berufung gegen seine Verurteilung an.