Kurdische Verbände: Kein roter Teppich für Kriegsverbrecher

Die Proteste gegen die Teilnahme Erdoğans am Globalen Flüchtlingsforum in Genf reißen nicht ab. Kurdische Verbände in der Schweiz finden es inakzeptabel, „einem Verbündeten von Kriegsverbrechern und Dschihadisten den roten Teppich auszurollen.“

Ein Jahr nach der Einigung auf den „Globalen Flüchtlingspakt” der Vereinten Nationen (UN) in Marokko findet am Dienstag und Mittwoch das erste Globale Flüchtlingsforum in Genf statt. Dazu erwartet werden neben UN-Generalsekretär Antonio Guterres auch mehrere Staats- und Regierungschefs, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Insgesamt sind Vertreter*innen aus 120 Ländern eingeladen.

Laut Berichten in der Schweizer Presse plant der türkische Machthaber im Vorfeld der Konferenz einen Propaganda-Auftritt vor seinen Anhängern. Dieser soll im Genfer Nobelhotel Four Seasons stattfinden. Dorthin mobilisierten Erdoğan-nahe Kreise bereits seit Tagen für Montagmittag. Die Union Internationaler Demokraten (UID), eine Lobby-Organisation der türkischen Regierungspartei AKP, rufe ihre Anhänger über soziale Medien und SMS-Nachrichten dazu auf, in Massen nach Genf zu reisen, heißt es.

Schweizweit erregt die unmittelbar bevorstehende Teilnahme Erdoğans an dem Forum die Gemüter. Die kurdischen Organisationen YJK-S (Kurdischer Frauenverband Schweiz) und CDK-S (Demokratisch Kurdisches Gesellschaftszentrum Schweiz) übten nun scharfe Kritik an der UNO und erklärten, es sei inakzeptabel, „einem Verbündeten von Kriegsverbrechern und Dschihadisten den roten Teppich auszurollen.“ In einer Stellungnahme weisen die beiden Dachverbände darauf hin, dass die regierende AKP unter Erdoğan gemeinsam mit ihrer ultranationalistischen Koalitionspartei MHP dem kurdischen Volk den Krieg erklärt habe. „Tausende Menschen, Politiker*innen, Aktivist*innen, Bürgermeister*innen, Parteivorsitzende, Akademiker*innen und Journalist*innen sind seit Beginn der Amtszeit Erdoğans verhaftet worden. Unzählige Menschen haben ihr zu Hause verloren, Hunderte wurden bei Massakern wie in Sûr, Cizîr und Nisêbîn getötet. Die türkische Republik verfolgt seit ihrer Gründung eine Politik der Vernichtung der Völker und Minderheiten“, heißt es in der Erklärung.

Außerdem verweisen die Verbände YJK-S und CDK-S in ihrer Kritik auf die Kriegsverbrechen, die unter Verantwortung der Türkei seit Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges am 9. Oktober von der türkischen Armee und dschihadistischen Proxy-Soldaten in den selbstverwalteten Gebieten Nord- und Ostsyriens begangen werden. „All diese Massaker, zuletzt das vom 2. Dezember auf Tel Rifat, bei dem zehn Menschen, darunter acht Kinder, bei einem türkischen Granatenbeschuss getötet wurden, sind den Vereinten Nationen bekannt. Sie sind das Resultat der Ignoranz der UNO und anderer humanitärer Organisationen, die sich angesichts dieser Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Schweigen hüllen.”

Die kurdischen Dachverbände beklagen, dass sich die UNO und Europa in der Flüchtlingsfrage von Erdoğan unter Druck setzen lassen. Der türkische Präsident droht immer wieder, die Grenzen für die 3,6 Millionen syrischen Flüchtlinge in der Türkei zu öffnen. „Durch den EU-Flüchtlingspakt erhält die Türkei Milliarden von Euro – die jedoch nicht für Schutzsuchende, sondern für die eigene Kriegsführung verwendet werden. Das Schweigen von internationalen Institutionen hierzu ist schockierend. Wir fordern die internationale Gemeinschaft und Menschenrechtsorganisationen auf, ihrem Schweigen und ihrer Untätigkeit unverzüglich ein Ende zu setzen und sich an ihre Prinzipien zu erinnern.” Die Dachverbände rufen zu Protesten am 17. Dezember um 11.00 Uhr vor dem Sitz der Vereinten Nationen in Genf auf.