Am Dienstag haben Kurd:innen und solidarische Menschen in Wuppertal eine Kundgebung gegen die Bombenangriffe auf Rojava und die Haltung der deutschen Regierung organisiert. Die Polizei brach die Veranstaltung jedoch direkt nach ihrem Beginn ab und dem Hinweis, es würden YPJ und YPG Flaggen mitgeführt und diese seien verboten. Interessant in diesem Zusammenhang ist es, dass bei den Kooperationsgesprächen im Rahmen der Anmeldung von der Behörde etwas anderes zugesagt wurde und die Polizist:innen vor Ort anscheinend auf Anweisung eines türkeistämmigen Vorgesetzten rechtswidrig handelten.
„Ich hatte in der Anmeldung der Kundgebung klar und deutlich benannt, dass wir YPJ und YPG Fahnen benutzen werden“, erklärte die Anmelderin gegenüber ANF. „Im telefonischen Gespräch wurde mir dann gesagt, dass das in Ordnung sei, wenn der rechtliche Rahmen nicht verletzt würde. So steht es auch in der Anmeldebestätigung.“ Warum es zu der Reaktion der Polizei kam, war für die Protestierenden zunächst nicht erkennbar. Erst im weiteren Verlauf der Diskussion mit dem Einsatzleiter kristallisierte sich heraus, dass die Polizeibehörde selbst wusste, dass die Fahnen von YPJ und YPG nicht verboten sind, jedoch ein wahrscheinlich türkischstämmiger Polizist den Einsatzkräften vor Ort die Anweisung gegeben hat, diese Fahnen müssten unbedingt konfisziert werden, da sie verboten seien. Nach Aussage des Einsatzleiters könne er sich nicht über die Anordnung hinwegsetzen.
Dass bei der Wuppertaler Polizei die persönlich Einschätzung eines Beamten mehr wiegt als die aktuelle Rechtslage und aufgrund dieser Fehleinschätzung demokratische Rechte eingeschränkt werden, halten die Veranstalter:innen für eine gefährliche Tendenz und wollen gerichtlich gegen diese Entscheidung vorgehen.
Nach Auflösung der Kundgebung durch die Polizei formierte sich eine spontane Demonstration durch die Wuppertaler Innenstadt, die mit einer kraftvollen Abschlusskundgebung auf dem Neumarktplatz endete.
Flaggen der YPG und YPJ sind in Deutschland nicht verboten
Ein ähnliches Vorgehen der Polizei wurde in den vergangenen Tagen auch in anderen Städten beobachtet. In Hamburg setzte die Polizei Tränengas gegen Demonstrant:innen ein, auch gegen Kinder. In Aachen wurden Fahnen der YPG/YPJ ebenfalls untersagt. In Heilbronn hingegen konnten sich Aktivist:innen mit der Argumentation durchsetzen, dass diese Symbole nicht verboten sind.
Flaggen der YPG und YPJ sind in Deutschland tatsächlich nicht verboten. In einem Prozess vor dem Berliner Verwaltungsgericht hat die Polizei bereits 2018 zugesagt, nicht mehr gegen Symbole der YPG/YPJ vorzugehen. Das Urteil wurde am 7. Mai 2018 gefällt, ähnliche Urteile erfolgten in München, Aachen, Frankfurt, Sigmaringen, Gelsenkirchen und Magdeburg. Zahlreiche Strafverfahren gegen Demonstrant:innen wurden nacheinander eingestellt.
Urteile, in denen Verbote der Symbole der kurdisch-nordsyrischen PYD, YPG und YPJ als rechtswidrig deklariert werden:
– Verwaltungsgericht Sigmaringen vom 17.10.2019, Az: 14K 4862/19
– Verwaltungsgericht Magdeburg vom 8.3.2018, Az.: 6B 125/18MD
– Verwaltungsgericht Gelsenkirchen vom 19.2.2018, Az: 14 L 337/18 (Eilentscheidung)
– Zur PYD: VG Frankfurt/M. von 2016, Az. 5K 4403/16
– Am weitgehendsten Bayer. OLG v. 1.12.2020, Az.: BayObLG 206 StRR 2713/19
Als das Bundesinnenministerium am 2. März 2017 die Erweiterung der Liste verbotener Symbole der kurdischen Befreiungsbewegung angeordnet hatte, erklärte die damalige Bundesregierung, dass Fahnen der YPG und YPJ nicht davon betroffen sind. Auf Nachfrage der Linkspartei hieß es in der Regierungsantwort vom 21. April 2017, dass die YPG und YPJ keine Gefahr für die Sicherheit Deutschlands darstellen.