KON-MED will größer, professioneller und jünger werden

KON-MED will seine organisatorischen Strukturen professionalisieren und vor allem die vierte Generation der in Deutschland lebenden Kurdinnen und Kurden mit seiner Arbeit ansprechen. Am Wochenende findet der Kongress des kurdischen Dachverbands statt.

Die Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland e.V. (KON-MED) hält am kommenden Wochenende seinen dritten Kongress ab. Über die Arbeit des Dachverbands von über 250 kurdischen Vereinen und Einrichtungen hat Rewşen Deniz für die Tageszeitung Yeni Özgür Politika mit den Ko-Vorsitzenden Zübeyde Zümrüt und Engin Sever gesprochen. In der Reportage wird darauf hingewiesen, dass die an KON-MED angebundenen Vereine und Föderationen bereits im Vorfeld eigene Kongresse durchgeführt haben. Die Ergebnisse werden am Wochenende in den Kongress von KON-MED einfließen.

Engin Sever sagt in der Reportage, dass der Kongress in einer sehr wichtigen Zeit stattfindet: „Vor hundert Jahren wurde mit dem Vertrag von Lausanne die Vierteilung Kurdistans beschlossen. In diesem Jahrhundert haben die Kurdinnen und Kurden Massaker und Völkermord erlebt. Die in den 1960er Jahren begonnene Migration nach Europa hat in den 1990er Jahren zugenommen. In dieser Zeit hat sich die in Deutschland lebende kurdische Gemeinschaft organisiert und Institutionen für ein organisiertes Zusammenleben geschaffen.“

Trotz Pandemie aktiv

Als Dachverband in Deutschland wurde 2019 KON-MED gegründet, erzählt Sever weiter: „Wir haben das Amt der Ko-Vorsitzenden vor zwei Jahren übernommen, als die Pandemie noch verbreitet war. Die uns angeschlossenen kurdischen Gesellschaftszentren waren in dieser Zeit geöffnet. Die Gesellschaft war auf den Beinen und es wurde versucht, die Bevölkerung zu organisieren und zu unterstützen. Diese schwierige Zeit wurde dank der sorgfältigen Arbeit unserer Räte, Föderationen, Moscheen und der alevitischen und ezidischen Verbände bewältigt.“

Zeit der Neustrukturierung

Nach einer Interimssitzung im vergangenen Jahr hat für KON-MED eine Phase der Neustrukturierung begonnen. „Wir haben eine Organisierungsoffensive in gesellschaftlichen Bereichen wie Sprache und Kultur gestartet, um uns im Rahmen des Paradigmas einer demokratischen Gesellschaft gegen die Zwänge der kapitalistischen Moderne zu organisieren und den Erwartungen an uns gerecht zu werden. Mit unseren fünf Föderationen und den eingebundenen 48 Räten, den Sportvereinen, Moscheen, alevitischen Dergah und ezidischen Häusern sind wir mit über 250 Organisationsstrukturen aktiv. Wir setzen uns dafür ein, die Probleme von anderthalb Millionen in Deutschland lebenden Kurdinnen und Kurden zu lösen und ihre Bedürfnisse zu erfüllen“, sagt Sever und fügt hinzu, dass das nur teilweise gelungen sei.

Kulturbewegung gegen Assimilation

Die Vergangenheit der Kurdinnen und Kurden in Europa reicht inzwischen Jahrzehnte zurück. Sever sagt: „Die lange Zeit außerhalb der eigenen Heimat hat gesellschaftliche Veränderungen mit sich gebracht.“ Die Arbeit in den Bereichen Kultur und Sprache gegen die Assimilation sei daher wichtig: „Die neue Generation geht hier zu Schule. Dadurch kann es zu einer Entfremdung und Distanz zur eigenen Sprache und Kultur kommen. Dagegen haben wir Kursprogramm geplant, aber das hat nicht ausgereicht. In Nürnberg findet seit zwölf Jahren eine kurdische Kulturwoche statt. Wir haben das Ziel, solche Veranstaltungen im gesamten Bundesgebiet durchzuführen und unsere Kultur vorzustellen. Das wird nach dem Kongress und mit einem neuen Vorstand noch mehr in den Vordergrund gerückt werden.“

Ehemaliger Ko-Vorsitzender verhaftet

Sever spricht auch die negativen Auswirkungen der in Deutschland herrschenden Kriminalisierung der kurdischen Bewegung an und erklärt: „Der deutsche Staat legt seine Politik gegen die Kurdinnen und Kurden in Abstimmung mit der Türkei fest. Dabei handelt es sich um einen schmutzigen Deal. Unsere Vereine sollten geschlossen werden, es wurden Razzien durchgeführt und unsere Vorstandsmitglieder wurden festgenommen und verhaftet. Letzten Monat wurde der Verein in Duisburg durchsucht, die Tür wurde aufgebrochen und die Einrichtung beschädigt. Auch unsere Vereine in Bremen, Darmstadt und Mannheim wurden durchsucht. Unter den Verhafteten ist auch der ehemalige Ko-Vorsitzende von KON-MED, Tahir Köçer. Das sind direkte Interventionen gegen unseren Verband.“

Mit gesellschaftlichen Werten gegen die Repression

Auch im letzten Verfassungsschutzbericht wird auf kurdische Organisationen verwiesen. Sever sagt, dass die Vereinsdurchsuchungen auf nachrichtendienstlichen Erkenntnissen basieren und man sich weiter juristisch und diplomatisch gegen die Repression wehren werde: „Mit diesen Maßnahmen tritt Deutschland die Demokratie mit Füßen. Unsere Vereine sind zivilgesellschaftliche Organisationen, die legal gegründet wurden und im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen Kongresse durchführen und Steuern zahlen. Die Kurdinnen und Kurden wehren sich seit den 1990er Jahren gegen die Repression, indem sie sich für ihre Kultur, ihre Sprache und ihre gesellschaftlichen Werte einsetzen.“

Der juristische Kampf wird ausgeweitet

Zübeyde Zümrüt war vor zwei Jahren gezwungen, aufgrund von politischer Verfolgung aus Kurdistan nach Europa zu kommen. Ihre politische Arbeit hat sie auch hier fortgesetzt, 2021 wurde sie beim 2. Kongress von KON-MED zur Ko-Vorsitzenden gewählt. Sie sagt, dass der lange Arm des türkischen Staates bis nach Deutschland reicht. Daher sei es wichtig, die Kriminalisierung von Kurdinnen und Kurden organisiert zu bekämpfen: „Es muss noch professioneller gearbeitet werden und wir müssen auch Außenstehenden von dieser Repression erzählen. Wir wollen NGOs und Rechtsorganisationen ansprechen und unseren Kampf in diesem Gebiet ausweiten. In diese Arbeit werden wir auch Juristen einbinden“, so die Ko-Vorsitzende von KON-MED.

Der Vorstand wird vergrößert

Zümrüt sagt, dass die momentane Struktur von KON-MED nicht dem bestehenden Bedarf entspricht und ungenügend ist. Das soll mit dem Kongress überwunden werden. Im Vorstand sind bisher Vertreter:innen der Föderationen, der Räte und Frauenräten, der Frauen- und Jugendbewegungen und von Glaubensgemeinschaften und Heimatvereinen. „Im Vorfeld des Kongresses haben wir darüber diskutiert, wie wir uns flächendeckend für den gesellschaftlichen Aufbau organisieren können. Wir planen einen breiter gefassten Vorstand. Fachleute aus den Bereichen Außenbeziehungen, Diplomatie, Medien und Recht sollen in die Arbeit einbezogen werden. Neben zwei Ko-Vorsitzenden sollen zwei weitere Personen explizit für die Organisierung verantwortlich sein.“

Mehr Raum für die Jugend

Sever ergänzt, dass vor allem junge Menschen in den Vorstand aufgenommen werden sollen: „Die Kurdinnen und Kurden leben in der vierten Generation in Deutschland. Wir haben eine entwickelte Jugend, die hier aufgewachsen und zur Schule gegangen ist, die studiert, Berufsausbildungen macht oder in Behörden arbeitet. Es gibt beispielsweise fast 170 Fußballclubs, die uns angebunden sind. Auch außerhalb unserer Strukturen gibt es ein großes Potential. Vor allem in den letzten Jahren sind wieder sehr viele junge Menschen nach Europa gekommen. Wir wollen unsere Arbeit für junge Menschen in den Vordergrund rücken und unseren Vorstand verjüngen.“