„Komme was wolle, die HDP bleibt aufrecht!“

Die HDP-Abgeordnete Tülay Hatimoğulları Oruç erklärt zu der Diskussion über ein Verbot der Demokratischen Partei der Völker: „Sollen sie machen, was sie wollen, die HDP bleibt aufrecht.“

Täglich treffen neue Nachrichten von Festnahmen und Inhaftierungen von HDP-Mitgliedern ein. Das türkische Regime droht der demokratischen Oppositionspartei mit einem Verbot. Die Abgeordnete der Demokratischen Partei der Völker, Tülay Hatimoğulları Oruç, legt im ANF-Gespräch ihre Perspektive auf die aktuellen Entwicklungen im Land und die geopolitische Lage der Türkei dar.

 

Die Völker zahlen den Preis der Kriegspolitik“

Oruç betrachtet die Wirtschaftskrise als Hauptproblem der Türkei und stellt eine enge Verbindung zum Krieg her. Sie weist darauf hin, dass auch der Haushalt für das Jahr 2021 vollkommen auf die Finanzierung des Kriegs und der Sicherheitspolitik ausgelegt sei.

Wir zahlen den Preis der neoosmanischen Politik der Regierung“

Zu den US-Sanktionen erklärt die Abgeordnete: „Wir zahlen gerade den Preis für die neoosmanische Außenpolitik und die Kurdenfeindschaft der Regierung. Betrachtet man die Sanktionen, die mit dem Kauf von S-400 zusammenhängen, beträgt das Geld, das für F-35 und S-400 ausgegeben wird, alleine etwa fünf bis sechs Milliarden Dollar. So viel Geld fließt in einen ungenutzten Kanal. Die USA sagen, dass sie die Sanktionen steigern werden, bis die S-400 dieses Land verlassen. Unterdessen stehen auch Sanktionen der Europäischen Union auf der Tagesordnung. Die Politik der Türkei im östlichen Mittelmeerraum, in Libyen, in Syrien und in Efrîn ist offensichtlich. Die kurdische Bevölkerung wurde aus Efrîn vertrieben und es wurden dschihadistische und salafistische Milizen sowie IS-Mitglieder in die Region gebracht und ethnische Säuberungen durchgeführt. Die Regierung tätigt größte Ausgaben für die Kämpfer, die sie aus Syrien in den Krieg nach Aserbeidschan und Libyen schickt. Die Türkei wird innen- wie außenpolitisch von einer rechtswidrigen, repressiven und faschistoiden Politik beherrscht. Dafür bezahlen die Völker der Türkei und des Mittleren Ostens, allen voran die Kurdinnen und Kurden, aber auch die Armen und die Arbeiterinnen und Arbeiter den Preis.“

Zurück in die 90er“

Oruç sieht deutliche Parallelen zu den 90er Jahren, insbesondere in der Verbindung zwischen Politik und Mafia und dem Wiederaufkommen von extralegalen Hinrichtungen und anderen rechtswidrigen Praktiken.

Sie erklärt: „Die Drohungen, die Abdullah Çakıcı gegenüber Kılıçdaroğlu, dem Führer einer Oppositionspartei, ausgestoßen hat, die Tweets, die Bahçeli an unsere Partei geschickt hat, und die Erklärungen, die er abgeben hat, all dies sind die offensichtlichsten Indikatoren für das Unrecht und die Rechtswidrigkeit, in der das Regime dieses Landes agiert. Als diese Drohungen ausgesprochen wurden, dachten wir alle an Susurluk. Wir leben in einer Zeit, in der die Mafia in wichtigen Strukturen des Staates in den Vordergrund gerückt ist. Es geht nicht nur um Schließungsdrohungen gegenüber unserer Partei. Es geht um Drohungen gegen einzelne Menschen, gegen Politikerinnen und Politiker. Wir müssen hier davon sprechen, dass das Ein-Mann-Regime die Türkei in die dunklen 90er Jahre zurückführt. Wir leben in einer Zeit außergerichtlicher Tötungen, Rechtlosigkeit und Illegalität."

Sie sprechen nicht von Politik“

Oruç fährt fort: „Die HDP ist eine Partei, die bis heute immer wieder verboten wurde. Wir können das Alter der HDP nicht an ihrem Gründungsdatum ablesen. Die HDP existiert seit 1915, seit Mustafa Suphi und seine Gefährten in diesem Land begonnen hatten, linke und sozialistische Politik zu organisieren. Diese Partei ist gereift an Persönlichkeiten wie Behice Boran, Hikmet Kıvılcım, Deniz Gezmiş, Mahir Çayan, Ibrahim Kaypakka und der Ideologie von Herrn Öcalan. Die HDP ist eine Synthese aus linkssozialistischen Strukturen und einer politischen Linie, die den freien Willen des kurdischen Volkes widerspiegelt. Wir haben in der Vergangenheit Parteischließungen erlebt. Das zeigt einfach nur, dass der Staat politisch nicht mit uns umgehen kann."

Ausdruck ihrer Zwangslage“

Dass der regimenahe Fernsehsender ATV statt des Sterns und der Blätter im HDP-Logo eine Bombe und Patronen zeigt, verurteilt die Abgeordnete scharf: „Das widerspricht Recht und Gerechtigkeit und auch dem ethischen Kodex der Presse. Wir haben dagegen Anzeige erstattet. Aber das ist auch ein Ausdruck der Zwangslage, in der sich das AKP-Regime befindet. Sie greifen uns im Parlament an, greifen uns auf der Straße an, stecken unsere Freundinnen und Freunde ins Gefängnis, drohen mit Schließung der Partei, bedrohen uns durch Çakıcı – sie versuchen alles, was man sich vorstellen kann. Aber es funktioniert immer noch nicht. Egal, was sie tun, die HDP bleibt aufrecht.“