Koblenz: Auftakt im §129b-Prozess gegen Sabri Ç.

In wenigen Tagen beginnt in Koblenz das Staatsschutzverfahren gegen Sabri Ç. Dem von Frankreich an Deutschland ausgelieferten Kurden wird PKK-Mitgliedschaft vorgeworfen. Seit Januar ist er in U-Haft – rechtswidrig, meint die Verteidigung des 52-Jährigen.

Diese Woche beginnt vor dem 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz das Staatsschutzverfahren gegen den kurdischen Aktivisten Sabri Ç. Der 52-Jährige war auf Ersuchen der bundesdeutschen Strafverfolgungsbehörden im Juni vergangenen Jahres per europäischem Haftbefehl in Paris fest- und in Auslieferungshaft genommen worden. Im Januar erfolgte seine Überstellung nach Deutschland. Seitdem befindet er sich in der JVA Wittlich in Untersuchungshaft.

Sabri Ç. ist gemäß Paragraf 129b Strafgesetzbuch der Mitgliedschaft in einer kriminellen und terroristischen Vereinigung im Ausland angeklagt. Ihm wird vorgeworfen, als hauptamtlicher Kader das „PKK-Gebiet“ Saarbrücken verantwortlich geleitet zu haben. Neben den typischen finanziellen, organisatorischen und propagandistischen Aufgaben soll er der Anklage zufolge auch in die Rekrutierung von Parteinachwuchs involviert gewesen sein. Einer individuellen Straftat wird er nicht bezichtigt.

Die Anklage im Fall Sabri Ç. hat die Generalstaatsanwaltschaft Mitte April erhoben. Eröffnet wurde das Hauptverfahren schließlich Ende Juni. Der Haftprüfungstermin fand erst am 12. Juli, auf den Tag genau sechs Monate nach der Überstellung des Kurden von Frankreich nach Deutschland statt. Wie der Kölner Rechtshilfefonds AZADÎ e.V. am Montag mitteilte, hatte seine Verteidigung nur eine Woche zuvor die Aufhebung des Haftbefehls wegen Verstoßes gegen das „Beschleunigungsgebot“ beantragt. In Paragraf 121 Absatz 1 der Strafprozessordnung ist geregelt, dass Untersuchungshaft nur dann über sechs Monate hinaus angeordnet werden kann, wenn die Ermittlungen besonders umfangreich oder schwierig sind oder sonstige wichtige Gründe eine Fortdauer der U-Haft rechtfertigen.

Diese Voraussetzungen seien nach Auffassung der Verteidigung in diesem Fall nicht gegeben. Lediglich ein Handy, das Ç. bei sich gehabt habe, hätte ausgewertet werden sollen, was nicht geschehen sei. Obwohl – wie in Haftsachen erforderlich – eine rasche Auswertung erfolgen müsse, habe es diese Bemühungen nicht gegeben. Über die Frage der Haftfortdauer entscheidet der Bundesgerichtshof (BGH); eine solche Entscheidung liegt der Verteidigung bis heute nicht vor.

„Das OLG hat viel Zeit verstreichen lassen, ohne dass es dafür einen sachlichen Grund gibt. Es hat erst knapp drei Monate nach Anklageerhebung den Eröffnungsbeschluss gemacht und dann erst Termine im August in Aussicht gestellt, obwohl die Verteidigung auch Termine zu einem früheren Zeitpunkt angeboten hatte,“ zitiert AZADÎ Rechtsanwältin Franziska Nedelmann und ihren Kollegen Milan Martin. „Schließlich gilt die Unschuldsvermutung, daher ist es mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar, dass unser Mandant ohne sachlichen Grund über sechs Monate in Untersuchungshaft gehalten wird. Das kommt einer Strafe gleich.“

Nach Überzeugung der Verteidigung hätte das Verfahren gegen Ç. längst beendet sein können, wären Generalstaatsanwaltschaft und OLG den Vorgaben des Beschleunigungsgebots gefolgt. So startet das Hauptverfahren gegen den Aktivisten am Donnerstag, den 31. August 2023, um 9:30 Uhr am OLG Koblenz (Regierungsstraße 7). Weitere Verhandlungstermine sind nach Angaben von AZADÎ – vorerst – bis Mitte Oktober terminiert.