Ko-Vorsitzende von Gesundheitsgewerkschaft inhaftiert

Die Ko-Vorsitzende der Gesundheitsgewerkschaft SES, Selma Atabey, ist in Ankara inhaftiert worden. Ihre Vorgängerin befindet sich weiterhin in Haft. Die Terrorverfahren gegen die renommierte Gewerkschaft laufen weiter.

Die Ko-Vorsitzende der Gewerkschaft der Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen (SES), Selma Atabey, wurde am zweiten Verhandlungstag ihres Verfahrens inhaftiert. Am 22. Schwurgerichtshof von Ankara wird gegen Atabey und ihre Vorgängerin Gönül Erden sowie gegen acht weitere Vorstandsmitglieder der Gesundheitsgewerkschaft wegen „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“, „Leitung einer Terrororganisation“ und „Propaganda für eine Terrororganisation“ verhandelt.

An der Anhörung nahmen eine Delegation des Europäischen Gewerkschaftsverbands für den Öffentlichen Dienst (EGÖD), der HDP-Abgeordnete Necdet Ipekyüz, Vorstandsmitglieder des HDP-Provinzverbands Ankara, die Ko-Vorsitzenden und -Vertreter:innen der Konföderation der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes (KESK) und viele weitere Vertreter:innen der Zivilgesellschaft teil.

Haftbefehl gegen Atabey

Das Gericht beschloss die Fortsetzung der Inhaftierung der ehemaligen Ko-Vorsitzenden der SES Gönül Erdem und erließ einen Haftbefehl gegen Atabey. Die übrigen Angeklagten unterliegen weiter Meldeauflagen. Das Gericht vertagte sich auf den 3. Oktober.

Nach der Anhörung versuchten die Teilnehmer:innen der Verhandlung, eine Presseerklärung vor dem Gerichtsgebäude abzugeben. Die Polizei griff die Anwesenden an. Die Teilnehmer:innen riefen demgegenüber Parolen wie: „Die Repression wird uns nicht einschüchtern!“

Wir werden niemals davor zurückschrecken, die Wahrheit zu sagen!“

In einer Erklärung, die nach der Anhörung auf Twitter veröffentlicht wurde, betonte die SES-Zentrale: „Wir werden keinen Schritt von unserem Kampf gegen das unrechtmäßige Gerichtsverfahren und die unbegründeten Anschuldigungen gegen unsere Gewerkschaft und ihre Führungskräfte zurücktreten. Wir werden nicht davor zurückschrecken, zu jeder Zeit die Wahrheit zu sagen!"

Gesundheitsgewerkschaft im Fadenkreuz der Repression

Unabhängige Gewerkschaften befinden sich permanent im Visier des Staates. Da die Gesundheitsgewerkschaft SES immer wieder auf das Versagen der Corona-Politik des AKP/MHP-Regimes hinweist, aber auch an der Spitze der Demokratiebewegung steht, werden ihre Mitglieder inhaftiert, bedroht und manchmal sogar getötet. So wurde Abdülaziz Yural, der damalige Ko-Vorsitzende der Gewerkschaft SES in Cizîr (Cizre), 2015 von Scharfschützen der türkischen Spezialeinheit PÖH mit einem Kopfschuss getötet, als er versucht hatte, einer verletzten Frau erste Hilfe zu leisten.