Ankara: Festnahmedauer von Gewerkschaftern verlängert

Die auf Grundlage eines Ermittlungsverfahrens in Ankara festgenommenen Gewerkschafter:innen von SES bleiben vorerst in Gewahrsam, erst am Dienstag sollen sie einem Haftrichter vorgeführt werden. Womit sie beschuldigt werden, ist weiterhin unklar.

Der Polizeigewahrsam der im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens der Generalstaatsanwaltschaft Ankara in mehreren Städten festgenommenen Mitglieder der Gewerkschaft der Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen (SES) ist um vier Tage verlängert worden. Das entschied am Freitag die zuständige Kammer am Justizpalast der türkischen Hauptstadt. Womit die Gewerkschafter:innen beschuldigt werden, ist nach wie vor aufgrund einer Geheimhaltungsverfügung über der Akte unklar.

Zu den Festnahmen war es am Dienstag bei Polizeioperationen in Ankara, Istanbul, Dersim und Wan (tr. Van) gekommen. Unter den Festgenommenen befindet sich die Ko-Vorsitzende von SES, Selma Atabey, ihre Vorgängerinnen Gönül Erden und Bedriye Yorgun, die ehemaligen SES-Exekutivkomiteemitglieder Fikret Çalağan und Belkız Yurtsever sowie die Gewerkschaftsmitglieder Rona Temelli, Ramazan Taş und Erdal Turan. Nach vorliegenden Informationen sollen sie kommenden Dienstag erneut dem Haftrichter vorgeführt werden.

KESK: Staatliche Kriminalisierung von gewerkschaftlichem Engagement

Die linke Gewerkschaftskonföderation KESK protestiert gegen die Kriminalisierung des gewerkschaftlichen Engagements. „Die staatliche und juristische Repression gegen die SES zielt ganz offensichtlich darauf ab, den gewerkschaftlichen Raum zu überschatten“, erklärte Hüseyin Kök als Sprecher der KESK-Zweigstelle in Ankara. Das dies in einer Phase geschehe, in der die Beziehungen zwischen der türkischen Regierung und der türkischen Unterwelt offengelegt werden, sei bezeichnend und liefere Antworten. Der „tiefe Staat” war zwischen den 80er und 90er Jahren verantwortlich für unzählige politische Morde, denen auch zahlreiche Gewerkschafter:innen zum Opfer fielen. „Wir verlangen die sofortige und bedingungslose Freilassung unserer Kolleginnen und Kollegen sowie ein Ende der ständigen Repression gegen unsere Strukturen und der Kriminalisierung von gewerkschaftlich Engagierten”, so Kök.

Pressekonferenz der KESK in Ankara

Gesundheitsgewerkschaft im Fadenkreuz der Repression

Die „echten” Gewerkschaften befinden sich permanent im Visier des Staates. Da die Gesundheitsgewerkschaft SES immer wieder auf das Versagen der Corona-Politik des AKP/MHP-Regimes hinweist, aber auch an der Spitze der Demokratiebewegung steht, werden ihre Mitglieder inhaftiert, bedroht und manchmal sogar getötet. So wurde Abdülaziz Yural, der damalige Ko-Vorsitzende der Gewerkschaft SES in Cizîr (Cizre), 2015 von Scharfschützen der türkischen Spezialeinheit PÖH mit einem Kopfschuss getötet, als er versucht hatte, einer verletzten Frau erste Hilfe zu leisten.