Knastspaziergang und Feuerwerk an JVA Stammheim

Unter dem Motto „Ob Corona oder nicht – wir vergessen euch nicht!” fand zum Tag der politischen Gefangenen ein Knastspaziergang zur JVA Stammheim statt. Mit bengalischen Lichtern und einer Lautsprecherdurchsage machten sich die Aktivisten bemerkbar.

In der Tradition der Knastspaziergänge an Silvester machten sich am Abend des 18. März – dem internationalen Tag der politischen Gefangenen – Aktivist*innen in Stuttgart auf den Weg zur Justizvollzugsanstalt Stammheim. Dort sitzen aktuell etwa 700 bis 800 Gefangene, die meisten davon unter erschwerten Bedingungen in Untersuchungshaft. Mindestens drei von ihnen sind Aktivisten der kurdischen Befreiungsbewegung, zwei Untersuchungsgefangenen wird auf der Grundlage von §§129a/b „Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung” vorgeworfen.

Mit bengalischen Lichtern und Feuerwerk machte sich die Gruppe von einem kleinen Hügel neben der Knastmauer aus für die Gefangenen bemerkbar, bevor eine Durchsage über einen Lautsprecher folgte:

Ob Corona oder nicht – wir vergessen euch nicht!

„In den letzten Tagen dreht sich alles nur noch um Corona und alle sprechen von Solidarität. Die Krise des kapitalistischen Systems fällt mit dem Virus zusammen und wird durch dieses immer deutlicher greifbar. Parallel nutzen die Herrschenden das Virus, um von der eigentlichen Krise abzulenken und verabschieden Maßnahmen, die ohne Corona auf breiten Widerstand stoßen würden. Die Reaktion der Herrschenden auf die Krise, diese auf uns abzuwälzen, wird verdeckt von einem Taumel aus Panik und dem individuellen Rückzug aus jedem sozialen Leben in Isolation.

Gleichzeitig sehen wir die Gefahr, dass all die Einschränkungen der Freiheitsrechte und die zusätzlichen Repressionsmöglichkeiten der Behörden von den Herrschenden nicht nur gegen die schnelle Ausbereitung des Virus genutzt werden, sondern auch gegen widerständige und migrantische Teile der Bevölkerung.

Der Staat schafft sich einen gesellschaftlichen Konsens, in dem all diese erkämpften Rechte eingeschränkt werden, Bullen durch die Straßen patrollieren und wir bald vielleicht noch die Bundeswehr im Inneren eingesetzt haben. Das ist kein Zustand, mit dem wir uns abfinden werden! Gerade deshalb ist es als Linke wichtig, nicht einfach den Trott mitzugehen, sondern sich weiterhin Aktionsspielräume zu schaffen.

Die Gefangenen in den Knästen dieser Republik sind meist tatsächlicher Isolation ausgesetzt, aufgrund der aktuellen Entwicklungen wird diese durch Besuchsverbote nur noch verstärkt und es ist klar, dass die Gefangenen in den sowieso überfüllten Knästen, ohne ausreichende Schutzmöglichkeiten und mit verstärktem Infektionsrisiko, nach stärker betroffen sein werden.

Ein Blick nach Italien zeigt, dass auch hinter den Mauern Widerstand möglich ist und organisiert werden kann. Dieser wird jedoch nicht nur von den dortigen Gefangenen getragen, sondern auch von Angehörigen und solidarischen Strukturen von draußen.

Die Repression gegen alle diejenigen, die sich dem kapitalistischen Ausbeutungs- und Unterdrückungssystem entgegenstellen, lässt nicht locker. Die herrschende Klasse nutzt weiter die Justiz, um ihre Produktions- und Eigentumsverhältnisse unangetastet zu lassen.

Als Linke sehen wir uns momentan wieder vermehrt mit Knast konfrontiert. Eine Aufzählung wäre hier vermutlich überflüssig. Dass wir mit dem Thema einen Umgang finden müssen, ist klar. Dieser darf jedoch nicht aus dem reinen Schutz und der Vermeidung von Knaststrafen bestehen. Repression in all ihren Formen bis zum Knast war, ist und wird auch immer Teil von linken Kämpfen sein. Die Herrschenden werden ihre Macht nicht freiwillig abgeben, dass sie dann auch alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel benutzt, darf uns nicht wundern. Knast als Teil unserer Politik zu begreifen, erkennt diesen Umstand an und schafft uns Möglichkeiten, auch gestärkt aus der Auseinandersetzung zu kommen.

Hier müssen wir als deutsche Linke noch viele Schritte gehen, doch „trotz alledem” schon jetzt und im kleinen anfangen: Unterstützt die Gefangenen durch Öffentlichkeitsarbeit, schreibt Briefe oder macht Aktionen gegen die Klassenjustiz! Freiheit für alle politische Gefangene! Hoch die internationale Solidarität!”

Aktionstag für die Freiheit politischer Gefangener

Libertad!, eine bundesweite Initiative für die Freiheit aller politischen Gefangenen weltweit, trat im Herbst 1993 mit dem Aufruf „Freiheit für alle politischen Gefangenen weltweit“ an die Öffentlichkeit, der die Idee eines internationalen Tages für die Freiheit der politischen Gefangenen enthielt. Daraus entstand der seit 1996 meist in Kooperation mit anderen linken Organisationen begangene bundesweite Aktionstag.

Ursprünglich wurde er im Jahr 1922 als „Tag der politischen Gefangenen“ von Kommunisten eingeführt. Sie knüpften mit dem Datum an die Berliner Arbeiterbewegung an, welche am 18. März 1848 auf die Barrikaden ging. Damals kam es zu heftigen Gefechten zwischen Bürgern und Militär mit mehreren hundert Toten. Im Jahr 1993 wurde der „Tag der politischen Gefangenen“ durch Libertad! wieder aufgegriffen.

Ein politischer Gefangener, auch politischer Häftling, ist eine Person, die aufgrund politischer oder weltanschaulicher Gründe in Haft ist. Dies erstreckt sich nicht nur auf Personen, die wegen Meinungsdelikten oder im jeweiligen Staat verbotener politischer Aktivitäten festgehalten werden, sondern auf alle Fälle, bei denen politische Einstellung oder politische Aktivitäten des Gefangenen maßgeblichen Einfluss auf die Strafzumessung hatten.

Der UN-Zivilpakt schließt in Art. 19 und 26 eine Verurteilung aufgrund politischer Ansichten aus und sichert allen Menschen das Recht auf freie Meinungsäußerung zu. Demzufolge verstößt eine politische Inhaftierung gegen internationales Recht, weswegen sich die Bezeichnung zu einem politischen Kampfbegriff entwickelt hat. (Mit Material von www.kleiner-kalender.de)