Karasu: Das Şengal-Abkommen soll mit Gewalt durchgesetzt werden

Die irakische und die südkurdische Regierung schweigen dazu, wenn die Türkei das ezidische Siedlungsgebiet Şengal bombardiert. Laut Mustafa Karasu (KCK) werden die türkischen Luftangriffe als Erpressungsinstrument benutzt.

Während die türkischen Angriffe auf Südkurdistan in den letzten zwei Wochen in eine neue Phase eingetreten sind und Luftangriffe auf Gebiete erfolgten, die nicht in der Nähe der türkischen Grenze, sondern bis zu 200 Kilometer entfernt liegen, erklärte Mustafa Karasu als Mitglied des Exekutivrats der KCK (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans), dass dies mit dem Ziel der Umsetzung des Abkommens vom 9. Oktober 2020 über Şengal zwischen der Regionalregierung Kurdistans und der irakischen Regierung zusammenhänge.

In einem im TV-Sender Medya Haber ausgestrahlten Interview hat Karasu die Beweggründe für die türkischen Luftangriffe auf Şengal am 16. und 17. August hinterfragt. Bei den Angriffen auf ein Fahrzeug auf dem Alten Markt in Şengal und dann auf ein medizinisches Zentrum sind zehn Menschen ums Leben gekommen. Reaktionen der Regierungen in Hewler (Erbil) und Bagdad auf die Angriffe auf irakischem Territorium sind ausgeblieben.

„Diese Angriffe wurden im Wesentlichen durchgeführt, um das Şengal-Abkommen vom 9. Oktober zwischen der Demokratischen Partei Kurdistans (PDK) und der irakischen Regierung durchzusetzen und es der ezidischen Bevölkerung aufzuzwingen. Es bedeutet: Entweder ihr akzeptiert dieses Abkommen oder der türkische Staat bombardiert weiterhin Şengal", erklärte Karasu. „Da die PDK und der Irak zu dem Angriff geschwiegen haben, bedeutet dies auch, dass sie die Türkei benutzen wollen, um das Abkommen umzusetzen. Sie benutzen die türkischen Angriffe als Erpressungsinstrument."

Karasu verwies auf die Äußerungen des türkischen Außenministers Mevlüt Çavuşoğlu bei der internationalen Konferenz in Bagdad am 29. August: „Nach dem Treffen in Bagdad soll Çavuşoğlu gesagt haben: ,Wir werden die PKK in Şengal ausrotten.' Dies ist in Wirklichkeit ein Angriff gegen freie Kurden, gegen Freigeister und gegen die Eziden. Das ist wie beim IS. Es gibt keinen Unterschied mehr zwischen dem, was der türkische Staat heute tut, und dem, was der IS im Jahr 2014 getan hat."

Karasu kritisierte auch die Vereinten Nationen dafür, dass sie das Abkommen zwischen den Regierungen von Hewlêr und Bagdad loben, obwohl das ezidische Volk davon vollständig ausgeschlossen worden ist: „Die Vereinten Nationen sollten der irakischen Regierung und der Demokratischen Partei Kurdistans Folgendes sagen: ,Wie könnt ihr ein Projekt allein umsetzen, ohne die Meinung des ezidischen Volkes einzuholen? Wie könnt ihr über Şengal entscheiden, ohne dies zu tun?'"

Zur Teilnahme der Türkei neben Ägypten und Jordanien an der internationalen Konferenz in Bagdad erklärte Karasu, dass die Anwesenheit der Türkei dort nur negative Folgen haben könne: „Wir glauben, dass Ägypten und Jordanien Stabilität im Irak wollen. Sie sind arabische Länder. Auch der Irak ist ein arabisches Land, und es ist nur natürlich, dass sie sich Stabilität und Frieden wünschen. Aus einem Treffen oder einer Beziehung, an der die Türkei beteiligt ist, wird jedoch nichts Gutes für die Völker der arabischen Welt oder des Nahen Ostens hervorgehen.“