Die von der internationalen Initiative Justice for Kurds im November 2021 gestartete Kampagne für die Streichung der Arbeiterpartei Kurdistan (PKK) von der EU-Liste terroristischer Organisationen wird am kommenden Dienstag abgeschlossen. Die Ergebnisse der Kampagne werden auf einer Pressekonferenz in Brüssel vorgestellt, anschließend sollen die gesammelten Unterschriften der Europäischen Kommission übergeben werden.
Die Initiative lädt zu der öffentlichen Pressekonferenz am Dienstag, dem 31. Januar, um 13.30 Uhr auf dem Schuman-Platz in Brüssel, direkt neben der EU-Kommission, ein. Die Einladung erfolgt im Namen des niederländischen Künstlers und Propagandaforschers Jonas de Staal (New World Summit), des Pressesprechers der belgischen Friedensorganisation Vrede, Ludo de Brabander, sowie von Daniel Kopp (Progressive International).
Die internationale Initiative „Justice for Kurds“ habe eine dringende Forderung aufgestellt, heißt es in der Einladung: „Im Interesse von Frieden, Demokratie und Menschenrechten fordern wir die Kommission der Europäischen Union auf, die PKK von der Liste der verbotenen terroristischen Organisationen zu streichen."
Mit diesem Aufruf sei eine weltweite Kampagne gestartet worden, „die durch Millionen von Unterschriften Unterstützung gefunden hat. Diese Unterschriften werden im Anschluss an die Pressekonferenz an Vertreter:innen der EU-Kommission übergeben. Auf der Pressekonferenz werden zahlreiche prominente Politiker:innen sprechen. Hunderte von Aktivist:innen, die Unterschriften gesammelt haben, werden ebenfalls anwesend sein“.
Hintergrund der Kampagne
Die Kampagne wurde von international bekannten Persönlichkeiten aus Politik, Zivilrecht, Kunst und Kultur unterstützt, darunter die österreichische Schriftstellerin Elfriede Jelinek, die afghanische Frauenrechtsaktivistin Selay Ghaffar, der Hamburger Völkerrechtler Norman Paech und der slowenische Philosoph Slavoj Zizek.
Die Initiative „Justice vor Kurds“ begründete die Kampagne unter anderem damit, dass die Einstufung der PKK als terroristische Organisation als Rechtfertigung für Angriffe auf Kurdinnen und Kurden und als Kriegsgrund dient und dazu führt, dass endemische Ungleichheiten übersehen und soziale Probleme nicht angegangen werden. In dem im November 2021 veröffentlichen Aufruf heißt es weiter zur Begründung:
Listung der PKK Hindernis für Frieden
Eine friedliche Lösung der kurdischen Frage ist eine Voraussetzung für eine funktionierende Demokratie und für Stabilität in der Türkei und im gesamten Nahen Osten. Die Türkei und ihre große kurdische Bevölkerung werden diese friedliche Lösung nur durch Verhandlungen erreichen können. An solchen Verhandlungen müssen alle Parteien beteiligt sein, auch die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Die Einstufung der PKK als terroristische Organisation ist jedoch ein Hindernis auf dem Weg zum Frieden.
EU-Gerichtshof: PKK zu Unrecht auf Terrorliste
Für die Streichung der PKK von der Liste gibt es nicht nur überwältigende praktische, sondern auch rechtliche Gründe. Die PKK wurde 2002 auf Antrag des NATO-Mitglieds Türkei auf die Terrorliste gesetzt. Das höchste Gericht der EU, der Gerichtshof in Luxemburg, entschied 2018, dass die PKK zwischen 2014 und 2017 zu Unrecht auf die EU-Terrorliste gesetzt wurde. Neben Verfahrensfehlern bezieht sich das Urteil auch auf den Friedensaufruf von Abdullah Öcalan im Jahr 2013. Als die Gültigkeit der Terrorismuseinstufung vor den belgischen Gerichten geprüft wurde, wurde im Jahr 2020 festgestellt, dass die PKK rechtlich nicht als terroristische Organisation angesehen werden sollte, da sie eine Partei in einem nicht internationalen bewaffneten Konflikt ist, wodurch sie dem Kriegsrecht und nicht dem Strafrecht unterliegt.
Neue Rolle der Kurdinnen und Kurden im Nahen Osten
Außerdem wurde die neue Situation der PKK im Nahen Osten bei der Auflistung nicht berücksichtigt: Weder der vorübergehende Friedens- und Verhandlungsprozess zwischen der PKK/kurdischen Seite und der türkischen Regierung in den Jahren 2013-2015, noch die neue Rolle der Kurdinnen und Kurden im Nahen Osten - zum Beispiel im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) - wurden in Rechnung gezogen. Nachdem der IS im Sommer 2014 sein „Kalifat“ ausgerufen und damit begonnen hatte, weite Teile des irakischen und syrischen Territoriums zu erobern, wurde er vom türkischen Staat vor allem bei Angriffen auf kurdische Gebiete unterstützt, während die PKK eine entscheidende Rolle bei der Niederschlagung des IS und anderer Söldner gespielt hat. Der Aufstieg des Islamischen Staates und anderer Söldner hat die Prioritäten im Nahen Osten verändert. Der Kampf der PKK gegen den IS hat den Bemühungen zur Terrorismusbekämpfung im Irak und in Syrien genutzt. Die PKK hat zur Verteidigung und Befreiung von Gebieten wie Mexmûr, der Sinjar-Region (Şengal) und Kerkûk im Irak sowie von Kobanê und anderen Gebieten in Nordsyrien beigetragen. Im August 2014 war die PKK maßgeblich an der Einrichtung eines humanitären Korridors zur Rettung Zehntausender Jesidinnen und Jesiden beteiligt, die vom IS auf dem Berg Sinjar eingeschlossen waren.
Millionen Menschen für das Rechts auf Selbstbestimmung mobilisiert
In der Geschichte der kurdischen Gesellschaft hat es keine Bewegung geschafft, Millionen von Kurdinnen und Kurden für ihr Recht auf Selbstbestimmung zu mobilisieren, wie es die PKK getan hat. Man kann mit Gewissheit sagen, dass die PKK die stärkste Massenbewegung unter den Kurdinnen und Kurden im Nahen Osten und in der Diaspora ist. Es ist auch die PKK, die die Freiheit der Frauen als strategische Dynamik der gesellschaftlichen Demokratie im Nahen Osten fördert und unterstützt.
Terrorstempel als politische Waffe
Im Rahmen des weltweiten Krieges gegen den Terrorismus haben Staaten die Bezeichnung „terroristisch“ als politische Waffe eingesetzt, um die Opposition zu delegitimieren und die Bemühungen um Menschenrechte und Freiheit zu unterdrücken, wie es der türkische Staat im Fall der kurdischen Gesellschaft getan hat. Die Einstufung der PKK als „terroristisch“ diente als Rechtfertigung für Angriffe auf Kurdinnen und Kurden überall – von diskriminierenden Praktiken bis hin zu militärischen Konfrontationen. Sie hat es ermöglicht, die Meinungsfreiheit einzuschränken und die bürgerlichen Freiheiten zu beseitigen. Sie hat zur Unterdrückung oppositioneller politischer Parteien, Zeitungen, Fernsehsender usw. geführt. Politische Führungspersönlichkeiten, Parlamentsabgeordnete, gewählte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, kritische Journalistinnen und Journalisten wurden unter dem Vorwand der Verbindung mit dem Terrorismus inhaftiert. Die Einstufung hat dazu geführt, dass endemische Ungleichheiten übersehen und soziale Probleme nicht angegangen wurden und sie wurde als Kriegsgrund benutzt. Die Europäische Union wird also dazu benutzt, die Angriffe autoritärer Regime zu beschönigen.
Im Interesse von Frieden, Freiheit, Demokratie, Stabilität und Menschenrechten fordern wir die sofortige Streichung der PKK von der Liste.