In Dortmund ist am Sonntag eine mit Spannung erwartete kurdisch-internationalistische Jugendkonferenz abgehalten worden. Thema war das von Abdullah Öcalan vorgelegte Modell einer auf Basisdemokratie, freien Frauen und sozialer Ökologie basierenden Gesellschaft und die Rolle der Jugend. Teilnehmende aus verschiedenen europäischen Ländern diskutierten über die Bedeutung des kurdischen Vordenkers sowie seines Paradigmas und die Verantwortung junger Menschen für die Durchsetzung seiner physischen Freiheit. Abdullah Öcalan gilt als Schlüsselfigur für eine Lösung der kurdischen Frage. Der Umgang mit ihm ist der Gradmesser für eine Lösungsperspektive in dem seit Jahrzehnten andauernden Krieg gegen das kurdische Volk, der weit über die Grenzen der Türkei hinaus geführt wird.
Unter den eingeladenen Gästen war auch der aus Frankreich angereiste kurdische Politiker Sercan Aydın. Er hielt die Eröffnungsrede der Konferenz und bezeichnete die Jugend als essenziellen Motor für eine zukunftsfähige Gesellschaft. „Junge Menschen sind die dynamischste Kraft und der bestimmende Faktor für den Erfolg eines Veränderungsprozesses. Dies gilt auch im Prozess zur Gewährleistung der physischen Freiheit von Abdullah Öcalan“, sagte Aydın. Gerade die Rolle einer „organisierten Jugend“ sei ausschlaggebend für die Umsetzung dieses Ziels.
Die Bilder eines vollen Veranstaltungssaals und intensiven Diskussionen deuteten bereits früh an, dass die Beschlussfassung der Konferenz entscheidende Impulse für Ergebnisse im Kampf der Jugend gegen die Isolation von Öcalan und seine Befreiung enthalten wird. Der zum Abschluss der Zusammenkunft vorgelegte Neun-Punkte-Plan bestätigte die Vermutung. Dieser sieht vor:
-Jegliches im Zusammenhang mit Abdullah Öcalan wird ins Zentrum der Arbeit der Jugend gestellt.
-Als Gegenstück gegen die seit dem zur Zerschlagung der Befreiungsbewegung verübten internationalen Komplotts unnachgiebig andauernden Angriffe der nationalstaatlichen Mentalität wird das von Rêber Apo vorgelegte Paradigma der demokratischen Moderne ausführlicher dargestellt werden. Hierfür ist es unabdingbar, die Aktivitäten der Jugend entsprechend zu organisieren.
-Als Zeichen der Loyalität und Verbundenheit zu Rêber Apo wird seine Philosophie vom Nahen Osten bis Lateinamerika, von Afrika bis Asien, von Europa bis Australien überall vorgestellt und verbreitet mit dem Ziel, Bündnisse mit Jugendbewegungen und Organisationen mit antisistemischen Ansätzen zu entwickeln.
-Die seit Jahren herrschende absolute Isolation und Abschottung von Rêber Apo werden die ständige Agenda der Jugend und den Kern ihres Handelns bilden.
-Wir werden mit internationalen Frauenbewegungen Diskussionen über das von Rêber Apo in tausenden Arbeitsstunden und intensiven Anstrengungen hervorgebrachten Frauenbefreiungsparadigma führen, indem wir im Lichte der Rojava-Revolution handeln, die wir als eine Frauenrevolution betrachten.
-Wir werden die Rolle der USA, Europas, des Antifolterkomitees CPT und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) – Institutionen, die nach ihrem eigenen Verständnis demokratisch sind – bei der Aufrechterhaltung des Isolationssystems gegen Rêber Apo bloßstellen.
-Wir werden verschiedene NGOs und alle Menschen, die ein Ende des Unrechts gegen Rêber Apo einfordern, in die Solidarität mit ihm und dem kurdischen Volk einbeziehen; als Adressat entsprechender Aktionsformen und Mobilmachungen werden wir das CPT und den Europarat benennen.
-Wir werden uns gegen die menschenrechtswidrigen Handlungen und Verhaltensweisen gegenüber den politischen Gefangenen in den Gefängnissen in Kurdistan und der Türkei stellen.
-Kern all dieser Aktivitäten wird sein, den Europarat und andere relevante Einrichtungen zu Schritten hin zur physischen Freiheit von Rêber Apo zu bewegen.
Auftakt der Reise für die Freiheit
Die kurdisch-internationalistische Konferenz war im Grunde der Auftakt der „Reise für die Freiheit“, einem Marsch für die Freiheit Abdullah Öcalans durch Nordrhein-Westfalen, der am heutigen Montag in Dortmund startet. Der mittlerweile 74 Jahre alte Vordenker der kurdischen Befreiungsbewegung wurde 1999 im Rahmen eines internationalen Komplotts in Kenia entführt und in die Türkei verschleppt. Seither wird er auf der Gefängnisinsel Imrali festgehalten – die meiste Zeit davon in absoluter Incommunicado-Haft. In Incommunicado-Haft unterliegen die Inhaftierten nicht nur vollständiger Isolation, sondern auch einer absoluten Kontaktsperre. Im Fall von Öcalan dauert diese totale Abschottung von seiner Außenwelt seit nunmehr zweieinhalb Jahren wieder an. Die einzige Institution, die die Isolation durchbrechen könnte, ist das CPT. Doch trotz eines Besuchs auf Imrali im vergangenen September gibt das Antifolterkomitee des Europarats keinerlei Auskunft über die Lage von Öcalan. Gleichzeitig ignoriert die Einrichtung systematisch Anträge vom Rechtsbeistand des PKK-Begründers, wegen der andauernden Isolation Zwangsmaßnahmen gegen die Türkei einzuleiten. Daher legt die kurdische Jugendbewegung den Fokus ihres Handelns auf die Institutionen Europas.