Das Rechtsbüro Asrin hat seit vier Jahren keinen Kontakt zu seinem Mandanten Abdullah Öcalan. Der letzte Besuch von zwei seiner Anwält:innen im türkischen Inselgefängnis Imrali, in dem der PKK-Begründer und kurdische Vordenker seit 1999 isoliert wird, war durch einen Massenhungerstreik durchgesetzt worden. Die Kanzlei mit Sitz in Istanbul fordert die Aufhebung der Kontaktsperre und wiederholt die Äußerungen Öcalans in diesem letzten Gespräch. In der am Montag veröffentlichten Stellungnahme erklärt das Verteidigerteam von Abdullah Öcalan:
Seit über zwei Jahren kein Lebenszeichen von Imrali
In den letzten zwölf Jahren haben nur fünf Anwaltsgespräche mit Herrn Abdullah Öcalan im Imrali-Gefängnis stattgefunden. Seit dem letzten dieser Treffen am 7. August 2019 sind vier Jahre vergangen. Seit dem 25. März 2021, als ein Telefonat mit seinem Bruder aus unbekannten Gründen plötzlich unterbrochen wurde, haben wir keine Nachricht mehr von ihm erhalten. Alle gerichtlichen, behördlichen und sonstigen Versuche, die wir seit diesem Tag unternommen haben, wurden von staatlicher Seite blockiert und waren erfolglos.
Beispielloses System der Folter
Der Staat und seine zuständigen Institutionen haben es auch versäumt, den Maßnahmen nachzukommen, die der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen auf unseren Antrag hin beschlossen hat: Die Regierung wurde am 6. September 2022 und am 19. Januar 2023 aufgefordert, Anwaltskonsultationen unverzüglich und ohne Einschränkungen zuzulassen. Diese Forderung war auch der Inhalt unzähliger Anträge, die wir gestellt haben. Herr Öcalan wird in einem Foltersystem festgehalten, das es in der Geschichte des „Rechts" in Europa und der Türkei noch nie gegeben hat.
Auch von unseren Mandanten Veysi Aktaş, Hamili Yıldırım und Ömer Hayri Konar, die mit Herrn Öcalan auf Imrali inhaftiert sind, haben wir keine Nachricht erhalten. Herr Öcalan und unsere anderen Mandanten werden in absoluter Isolation gehalten. Das System der absoluten Isolation, in dem Herr Öcalan und unsere anderen Mandanten gehalten werden, hat keine legitime rechtliche oder gesellschaftliche Grundlage. Es ist klar, dass das derzeitige Vorgehen aus dem staatlichen Verständnis der Verleugnung der kurdischen Frage resultiert. Während der Staat seit den Wahlen bei Spannungen, Konflikten und Kriegen in der ganzen Welt, vom Kosovo bis zur Ukraine, von Armenien-Aserbaidschan bis zum Sudan, zu dauerhaftem Waffenstillstand und Frieden über einen Dialog und Versöhnung aufruft, wird in der kurdischen Frage die entgegengesetzte Politik verfolgt. Diese offene Diskriminierung und Widersprüchlichkeit des Staates ist der Hauptgrund für das Ausbleiben einer Lösung und alle stattfindenden Krisen.
Die aufmerksame Öffentlichkeit sollte sich bewusst sein, dass diese nackte Realität des Staates nicht geändert werden kann, ohne sie zu sehen und zu hören und sich dagegen zu auszusprechen.
Von Öcalan vorgeschlagene Lösungsmethoden
Heute vor genau vier Jahren fand das letzte Treffen mit Herrn Öcalan statt. Bei diesem letzten Gespräch erklärte er, dass er sich auf der Linie des Friedens gegen das Verständnis und die Schwerpunkte gewehrt habe, die seine Bemühungen um eine demokratische Lösung seit 1993 immer wieder vereitelt hätten. Er sagte, dass er sich auf eine Politik der Nichtlösung nicht einlassen werde und Özals Feststellung, dass Krieg keine Lösung ist, immer noch gültig sei. Weiter erklärte er, dass eine demokratische Lösung der kurdischen Frage möglich sei, er den Konflikt in einer Woche beseitigen könne und sich das zutraue, aber auch der Staatsverstand entsprechend handeln müsse. Wenn die von Herrn Öcalan ausgestreckte Hand zur demokratischen Lösung an diesem Tag nicht in der Luft geblieben wäre, hätte es die politischen Spannungen, die gesellschaftlichen Gräben und die Wirtschaftskrise, die wir bis heute erleben, nicht gegeben. Die von Herrn Öcalan vorgeschlagenen Lösungsmethoden, die der Staat im Ausland vorschlägt, aber im Inland nicht anwendet, müssen in die Tat umgesetzt werden, bevor die gegenwärtige Politik weitere irreparable Wunden verursacht.
Unsere oberste Priorität und Erwartung ist es, vertrauenswürdige Nachrichten direkt von Herrn Öcalan und unseren anderen Mandanten zu erhalten. Angesichts der Tatsache, dass der verhinderte Kontakt alle möglichen Risiken in sich birgt, fordern wir die Behörden auf, der absoluten Kommunikationssperre und diesem Folterverbrechen ein Ende zu setzen. Die demokratische Öffentlichkeit rufen wir zur Aufmerksamkeit auf.