Izmir: Über 20 Festnahmen bei Protest gegen Fernunterricht

In Izmir sind 22 Studierende wegen einem Sitzstreik gegen Fernunterricht festgenommen worden. Erdogan hatte angeordnet, dass die Universtäten in einen Fernbetrieb gehen und Wohnheime an Erdbebenopfer vergeben werden.

In der westtürkischen Metropole Izmir sind mehr als zwanzig Studierende festgenommen worden. Die Studierenden der Universität des 9. September (Dokuz Eylül Üniversitesi) hatten mit einem Sitzstreik gegen den staatlich angeordneten Fernunterricht protestiert und ein Gespräch mit dem Rektorat gefordert. Die Hochschulleitung ließ die insgesamt 22 Studierenden von der Polizei räumen, ohne einmal die Forderungen entgegenzunehmen. Sie wurden teils gewaltsam auf die Polizeidienststelle in Çankaya gebracht und müssen mit einer Anzeige wegen eines Verstoßes gegen das türkische Versammlungsgesetz rechnen.

Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte am Wochenende entschieden, dass die türkischen Universitäten in einen Fernbetrieb gehen, damit die Studierendenwohnheime der Anstalt für Kredite und Heime für Jugendliche (KYK) an Erdbebenopfer vergeben werden. Laut Erdogan soll der Unterricht an den Universitäten bis zum Wintersemester 2023 ausfallen. Der Schritt sorgte in der Türkei für heftige Kritik. Oppositionsparteien, Bildungsgewerkschaften und Ärztekammern halten diese Entscheidung für falsch. Studierende klagten darüber, dass sie über Nacht ihre Wohnheime räumen mussten und selbst diejenigen, die aus Erdbebengebieten kommen, wurden aufgefordert, ihre Wohnheime innerhalb von einem Tag zu verlassen.

Die Gewerkschaft für Bildung und Bildungswerktätige (Eğitim Sen) wies auf die psychischen Folgen der Corona-Pandemie für die jungen Menschen in der Türkei hin. Diesen dürfe nicht noch mehr Schaden zugefügt werden. „Das Recht auf Bildung unserer Jugend darf nicht geopfert werden, um die Folgen mangelnder Planung und fehlender Krisenmanagementfähigkeiten zu kompensieren.“ Die Entscheidung über Fernunterricht ignoriere die Realität und ebne den Weg für noch negativere Folgen. Statt die Studierendenwohnheime den Erdbebenopfern zur Verfügung zu stellen, sollte der Staat den Betroffenen der Katastrophe die zu zehntausenden fertiggestellten, aber leeren Wohnungen sowie Hotels und institutionelle Gästehäuser anbieten, fordert Eğitim Sen.

Auch Studierende der Demokratie-Universität Izmir protestierten heute gegen den Fernbetrieb an Hochschulen. Ihre Aktion konnte ohne Zwischenfälle stattfinden | Foto: Evrensel


Demirtaş an Erdogan: Räume deinen Palast!

Auch die Demokratische Partei der Völker (HDP) hat die Entscheidung kritisiert. „Mit der Schließung der Universitäten schafft man nur neue Opfer“, schrieb der kurdische Politiker und frühere HDP-Vorsitzende Selahattin Demirtaş, der seit 2016 im Gefängnis ist, auf Twitter. „Räume deinen Palast, anstatt Wohnheime von Studierenden zu evakuieren“, so der 49-Jährige. Erdogan solle aus seinem Über-1000-Zimmer-Anwesen ausziehen, wenn er Platz für die Opfer schaffen will.