Istanbul: 80 Jahre Haft für ehemaligen HDP-Vorstand

Ein Istanbuler Strafgericht hat neun Mitglieder des früheren HDP-Provinzverbands zu mehr als 80 Jahren Gefängnis verurteilt. Das höchste Strafmaß mit knapp 14 Jahren erhielt der bekannte Öcalan-Anwalt Doğan Erbaş.

Ein Strafgericht in der westtürkischen Metropole Istanbul hat neun Politikerinnen und Politiker der Demokratischen Partei der Völker (HDP) wegen „Mitgliedschaft in und Propaganda für eine terroristische Vereinigung“ zu knapp 84 Jahren Haft verurteilt. Angeklagt waren führende Mitglieder des früheren Vorstands der HDP Istanbul. Das höchste Strafmaß mit knapp 14 Jahren erhielt der bekannte Öcalan-Anwalt und frühere Ko-Vorsitzende des Istanbuler Provinzverbands, Doğan Erbaş. Kasım Oba wurde zu zwölf Jahren Haft verurteilt.

Das Verfahren zog sich seit September 2017 hin. Angeklagt waren ursprünglich zwölf Personen, die im Dezember 2016 inhaftiert worden waren. Die Festnahmewelle folgte damals auf die Verhaftung der damaligen Parteivorsitzenden Figen Yüksekdağ und Selahattin Demirtaş sowie weiterer Parlamentsabgeordneter, die seither im Gefängnis sind.

Insgesamt 15 HDP-Mitglieder der Istanbuler HDP waren damals für 25 Tage in Polizeigewahrsam genommen worden, bevor gegen elf von ihnen Untersuchungshaft verhängt wurde. Zum Vorwurf wurden den Angeklagten allgemeine politische Aktivitäten, unter anderem das Organisieren von Versammlungen, Presseerklärungen oder Beiträge in sozialen Medien, gemacht. Auch die Teilnahme an Protesten, etwa gegen die Absetzung gewählter Bürgermeister:innen, die Zwangsverwaltung kurdischer Kommunen sowie die Inhaftierung von Parlamentsabgeordneten wurden als Beweise für die angebliche „Terror-Mitgliedschaft“ gewertet.

Die HDP hatte das Verfahren als politisch motiviert kritisiert und die Beweise in der mehr als 400 Seiten starken Anklageschrift als absurd bezeichnet. Zu der Auffassung war auch das türkische Verfassungsgericht gelangt, zumindest teilweise: insgesamt acht Angeklagten wurde vergangenen März eine Entschädigung in Höhe von jeweils 40.000 TL zugesprochen, weil die Rechtsgrundlage für ihre Inhaftierung fehlte. Lediglich Doğan Erbaş und Kasım Oba gingen leer aus. Beide Politiker waren mit knapp zwei Jahren als längste aller Angeklagten in Untersuchungshaft. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.