IPPNW: Erdoğan muss den demokratischen Willen der Bevölkerung akzeptieren

Die ärztliche Friedensorganisation IPPNW fordert von der Bundesregierung, gegenüber dem NATO-Partner Türkei und Präsident Recep Tayyip Erdoğan darauf zu bestehen, den demokratischen Willen der Bevölkerung zu akzeptieren.

Internationale Wahlbeobachtung in Kurdistan/Türkei

Auf Einladung der DEM-Partei hat eine internationale Delegation aus Europa am vergangenen Sonntag die Kommunalwahlen in den kurdischen Gebieten in der Türkei beobachtet. Leo Welsing hat als IPPNW-Mitglied an der Delegationsreise teilgenommen. Die ärztliche Friedensorganisation fordert von der Bundesregierung, gegenüber dem NATO-Partner Türkei und Präsident Recep Tayyip Erdoğan darauf zu bestehen, den demokratischen Willen der Bevölkerung zu akzeptieren.

Wahlputsch in Wan

Zu dem „Wahlputsch“ in der Provinz Wan (tr. Van) teilte die IPPNW mit, dass sie die Entscheidung des Obersten Wahlrats, den Wahlsieg des Ko-Kandidaten der DEM-Partei doch anzuerkennen, begrüße:

„Nachdem die AKP-Regierung in den Kommunalwahlen am Sonntag eine Wahlniederlage erlangte, hatte sie sich in den kurdischen Gebieten über die demokratischen Ergebnisse hinweg gesetzt und erneut ein System der Zwangsverwaltung etabliert. In der Provinz Wan gewannen die Co-Kandidat:innen der pro-kurdischen DEM-Partei, Neslihan Şedal und Abdullah Zeydan, mit 55,5 Prozent mit deutlichem Abstand die Kandidatur für das Bürgermeisteramt. Dennoch wurde ihnen die Kandidatur aberkannt. Nach seiner Haftentlassung im Jahr 2022 waren Zeydan tatsächlich jedoch alle Bürgerrechte wieder zugesprochen worden. Nun stellte sich heraus, dass der türkische Staat fünf Minuten vor Ablauf der Frist am 29. März 2024 widersprach.

Statt der gewählten Co-Bürgermeister:innen der DEM-Partei wurde der um knapp 30 Prozent unterlegene AKP-Kandidat Abdulahat Arvas als Bürgermeister von Wan ernannt. Damit wäre die kurdische Provinz Wan die dritte Wahlperiode in Folge zwangsverwaltet und die Zivilbevölkerung ihrer demokratischen Rechten enthoben. Immer wieder kommt es zu Verboten und starken Einschränkungen der Versammlungsfreiheit. Bereits während der Wahl kam es in den kurdischen Gebieten zu Wahlmanipulationen.“

Von Polizei und Militär verfolgt

„Als Teil der Wahlbeobachtungsdelegation der DEM, die aus 125 europäischen Internationalisten bestand, habe ich am Wahltag die massive Militärpräsenz und Einschüchterungspolitik an den Wahlurnen in kurdischen Dörfern und Städten beobachtet“, erklärte Leo Welsing. „Militärfahrzeuge und schwerstbewaffnete Soldaten der Gendarmerie patrouillierten vor und in den Schulen, teilweise sogar in den Klassenzimmern direkt neben den Wahlkabinen. Wahlbeobachter:innen wurden oft des Geländes verwiesen, es wurden Pässe kontrolliert und einige Gruppen berichteten, von Polizei und Militär verfolgt worden zu sein“, so Welsing weiter.

Ein Bericht von Leo Welsing zu seinen weiteren Eindrücken bei der Wahlbeobachtung findet sich auf der IPPNW-Seite. In Berlin finden am 14. und 22. April zwei IPPNW-Veranstaltungen zur politischen Situation im Südosten der Türkei statt.

Foto: Massenproteste in Wan, 3. April 2024