Internationale Kampagne fordert Auskunft über Abdullah Öcalan

Es ist derzeit nicht bekannt, ob Abdullah Öcalan am Leben ist und ob es ihm gut geht. Die in London ansässige Kampagne „Freiheit für Öcalan" fordert sofortige Auskunft über seinen Zustand und hat prominente Mitstreiter:innen gefunden.

Abdullah Öcalan wird seit vierundzwanzig Jahren in der Türkei in Isolationshaft gehalten, und in den letzten zwei Jahren wurde sogar seinen Anwält:innen und seiner Familie Kontakt oder Zugang zu ihm verwehrt. Es ist derzeit nicht bekannt, ob er am Leben ist und ob es ihm gut geht, und es bestehen große Sorgen um sein Leben und Wohlergehen. Die in London ansässige Kampagne „Freiheit für Öcalan" fordert sofortige Auskunft über seinen Zustand und lädt zu einer Pressekonferenz vor dem Europäischen Parlament in Brüssel ein.

„Wir sind zutiefst besorgt, dass die Institution des Europarats, die für die Überwachung der Haftbedingungen von Herrn Öcalan zuständig ist – das Komitee zur Verhütung von Folter (CPT)  die Öffentlichkeit nicht ausreichend informiert“, sagen Christine Blower und Simon Dubbins als Sprecher:innen der Kampagne: „Die Familie von Herrn Öcalan, seine Anwälte und das kurdische Volk im Allgemeinen fordern, dass Maßnahmen ergriffen werden, um diese entsetzliche Situation zu ändern. Die Pressekonferenz wird die völlig unzureichende Reaktion der europäischen Regierungen, der Menschenrechtsorganisationen der Europäischen Union (EU) und des Europarates aufzeigen und deutlich machen, dass sie sich durch ihre Untätigkeit mitschuldig an dieser Verletzung und dem Missbrauch grundlegender Menschenrechte machen“.

Blower und Dubbins haben prominente Mitstreiter:innen gefunden, die Forderung nach Auskunft über den Zustand von Öcalan, dessen Vorstellungen von einer gerechten Gesellschaftsordnung weltweit Beachtung finden, wird von internationalen Organisationen mitgetragen.

Die Pressekonferenz findet am 26. Juli um 11 Uhr auf dem Place Luxembourg (Europäisches Parlament), 1000 Brüssel, mit internationaler Beteiligung statt. Die Redner:innen reisen aus England, Italien, Belgien, Schottland und eventuell sogar aus Südafrika an. Die Moderation übernimmt Sarah Glyyn, Autorin und Vertreterin der Ständigen Mahnwache für Öcalan.

Redner:innen
Simon Dubbins, Direktor für Internationales - Unite the Union (UNITE), UK
Baroness Christine Blower, UK
Antonio Amoroso, CUB Volksgewerkschaft, Italien
Michela Arricale, Rechtsanwältin CRED (Forschungs- und Bearbeitungszentrum für Demokratie), Italien
Amedeo Ciaccheri, Präsident der Gemeinde VIII. in Rom, Italien
Saverio Nonno, Bürgermeister von Fossalto, Italien
Laura De Bonfils, ARCI, Italien
Luigi De Magistris, ehemaliger Bürgermeister von Neapel, Video-Botschaft mit englischen Untertiteln, Italien
Vicente Jose Rekondo, LAB-Vertreter
Daniel Kopp, Mitglied des Sekretariats von PI, Belgien
Roza Salih, Stadträtin von Glasgow, Schottland
Mike Arnott, Präsident des Schottischen Gewerkschaftskongresses (TUC), UK

Hintergrund: Abdullah Öcalan ist eine Schlüsselfigur

Abdullah Öcalan, geboren am 4. April 1949, studierte Politikwissenschaften in Ankara. Er initiierte 1978 die Gründung der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und führte als ihr Vorsitzender bis zu seiner Verschleppung im Februar 1999 den kurdischen Befreiungskampf aktiv an.

Neben zahlreichen Arbeiten über die Kultur und die Lage seines Volkes beschäftigte er sich in vielen Vorträgen und Büchern mit Themen aus den Bereichen Philosophie, Religion, Geschlechterfragen und Umweltproblematik und setzte sich immer wieder für ein friedliches Zusammenleben aller Völker im Mittleren Osten ein.

Seit seiner völkerrechtswidrigen Entführung aus Kenia am 15. Februar 1999 befindet er sich in einem Gefängnis auf der türkischen Insel Imrali im Marmarameer, mehr als zehn Jahre davon als einziger Gefangener. Am 29. Juni 1999 wurde er vom türkischen Staatssicherheitsgerichtshof zum Tode verurteilt. Inzwischen wurde die Todesstrafe in der Türkei abgeschafft und das Urteil gegen Abdullah Öcalan in eine verschärfte lebenslängliche Freiheitsstrafe umgewandelt.

Trotz der unmenschlichen Isolationshaft setzt er sich auch aus der Haft heraus im Rahmen seiner Möglichkeiten für eine friedliche Lösung der kurdischen Frage ein. Er gilt weiterhin als führender Stratege und einer der wichtigsten politischen Repräsentanten des kurdischen Volkes .

In Isolationshaft auf der Insel Imrali verfasste Öcalan mehr als zehn Bücher, welche die kurdische Politik revolutionierten. Mehrfach initiierte er einseitige Waffenstillstände der Guerilla und lieferte konstruktive Vorschläge für eine politische Lösung der kurdischen Frage. Seine Konzepte wie der „Demokratische Konföderalismus“ sind eine wesentliche Inspiration für das revolutionär-demokratische Projekt in Nordsyrien.

Ein „Friedensprozess“ begann 2009, als der türkische Staat auf Öcalans Aufrufe, die kurdische Frage politisch zu lösen, reagierte. Die Regierung brach den Dialog mit Öcalan und der PKK Mitte 2015 ab und setzt seither wieder auf eine militärische Vernichtungspolitik.

Seit dem 27. Juli 2011 wird Öcalan und seinen Mitgefangenen der Zugang zu Anwältinnen und Anwälten verwehrt. Eine Ausnahme bilden mehrere Anwaltsbesuche zwischen Mai und August 2019, die durch einen Massenhungerstreik erkämpft wurden.

Seit April 2015 ist die Gefängnisinsel Imrali vollständig von der Außenwelt isoliert. Keinerlei Besuch ist möglich, es gibt keine Kommunikation mit den Gefangenen. Das letzte Lebenszeichen war ein aus unbekannten Gründen nach wenigen Minuten unterbrochenes Telefonat zwischen Öcalan und seinem Bruder im März 2021.