Mehr als 300 Dschihadisten der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) leben nach ihrer Rückkehr aus Syrien und dem Irak inzwischen wieder in Deutschland. Wie ein Sprecher des Bundesinnenministeriums mitteilte, haben mehr als 100 von ihnen Kampferfahrungen oder hätten eine entsprechende Ausbildung absolviert. Diese IS-Rückkehrer stünden im Fokus „polizeilicher und justizieller Ermittlungen“. Die Anzahl der Verurteilungen bewege sich „im mittleren zweistelligen Bereich“.
Mehr als 1.060 IS-Extremisten aus Deutschland
Die deutschen Behörden gehen laut Innenministerium davon aus, dass mehr als 1.060 islamistische Extremisten in den vergangenen Jahren aus Deutschland in das ehemalige IS-Gebiet aufgebrochen sind. Etwa ein Drittel von ihnen befindet sich demnach nach dem Verlust der Territorialherrschaft der Miliz wieder in Deutschland. Die Behörden verfolgten einen „ganzheitlichen Ansatz“, zu dem neben strafrechtlicher Verfolgung und Aufmerksamkeit der Sicherheitsbehörden auch Deradikalisierung und Reintegration gehörten, heißt es.
Der sogenannte „Islamische Staat“ hatte im Sommer 2014 große Teile im Norden und Osten des Irak überrannt. Am 3. August verübte die Terrormiliz im ezidischen Siedlungsgebiet Şengal einen Völkermord, dem etwa 10.000 Menschen zum Opfer fielen. Über 7.000 Frauen und Kinder wurden entführt, mehr als 400.000 Menschen aus ihrer Heimat vertrieben und weitere Tausende werden bis heute vermisst. Dem Genozid und Femizid vorausgegangen war der Abzug der in Şengal stationierten Peschmerga der südkurdischen Autonomieregion, die die Zivilbevölkerung schutzlos den Schergen des IS überließen. Guerillakämpfer*innen der HPG und YJA-Star gelang es hingegen gemeinsam mit den Volks- und Frauenverteidigungseinheiten YPG und YPJ, zehntausenden Ezidinnen und Eziden, die im Gebirge gefangen waren, das Leben zu retten, indem sie einen Fluchtkorridor freikämpften.
Reorganisierung im Schatten der türkischen Invasion
Das IS-Herrschaftsgebiet erstreckte sich damals auch auf große Teile Syriens. Den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) und der internationalen Anti-IS-Koalition gelang es danach, die Extremisten in beiden Ländern nach und nach zurückzudrängen. Im März 2019 verlor der IS seine letzte Bastion Baghouz im ostsyrischen Deir ez-Zor. Zellen der Dschihadisten sind aber in beiden Ländern wieder aktiv, da sie sich im Schatten der im vergangenen Herbst in Rojava gestarteten türkischen Invasion unbehelligt reorganisieren konnten. In den vergangenen Wochen kam es vor allem im Irak zu einer Vielzahl von Angriffen. Die Autonomieverwaltung Nord- und Ostsyriens warnt schon länger vor einem Wiederaufstieg der Terrormiliz, stößt aber international auf taube Ohren.