„Ich will doch nur ein ganz normales Leben“

Ömer Bengi ist einer der vierzig Asylsuchenden, die aus Rumänien in die Türkei abgeschoben wurden. Die Lebensgeschichte des 28-Jährigen ist beispielhaft für viele Kurden in seinem Alter. Alles, was er will, ist „ein ganz normales Leben“.

Ömer Bengi ist aus Rumänien in die Türkei abgeschoben worden. Der 28-Jährige gehörte zu der Gruppe von vierzig Asylsuchenden, die vergangene Woche gewaltsam in Bukarest in ein Flugzeug nach Istanbul gesetzt wurden. Nach seiner Ankunft am Istanbuler Flughafen wurde er festgenommen und nach einem Verhör wieder freigelassen.

Ömers Lebensgeschichte ist beispielhaft für viele Kurden in seinem Alter. Als Minderjähriger wurde er Opfer der berüchtigten türkischen Antiterrorgesetzgebung. Geboren wurde er in der finsteren Zeit der 1990er Jahre in Bismil in der nordkurdischen Provinz Amed. Seine Familie musste ihre Heimat aufgrund der staatlichen Repression verlassen und zog nach Istanbul. Mit 17 Jahren kam er das erste Mal ins Gefängnis.

Damals arbeitete er auf einer Baustelle, um etwas zum Lebensunterhalt seiner Familie beizutragen. „2008 hat eine Razzia auf der Baustelle stattgefunden. Ich wurde festgenommen und zunächst auf die Polizeidirektion Vatan und anschließend in die Abteilung für Minderjährige gebracht. Ich wurde geschlagen, psychisch unter Druck gesetzt und beschimpft. Damals war ich noch ein Kind, ich kannte meine Rechte nicht. Dann wurde ich wegen Mitgliedschaft verhaftet. Im Jugendgefängnis Maltepe wurde ich nackt ausgezogen und durchsucht. Ich wurde als Terrorist behandelt und die ersten sieben Tage isoliert. Nach 13 Monaten wurde ich ins F-Typ-Gefängnis Kandira verlegt, weil ich volljährig geworden war. Es war eine sehr schwere Zeit. Insgesamt war ich anderthalb Jahre im Gefängnis. Es gab dann diese Neuregelung für ,Steine werfende Kinder', darüber bin ich 2010 freigelassen worden. Danach habe ich wieder auf dem Bau gearbeitet. Das Verfahren gegen mich lief jedoch weiter, insgesamt zwölf Jahre lang. Ich wurde zu zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Vollstreckung wurde ausgesetzt. Ich habe versucht, mich weiter irgendwie durchzuschlagen, aber es war sehr schwierig. Irgendwann habe ich gedacht, dass ich hier einfach keine Zukunft habe. Ich beschloss, nach Europa zu gehen.“

Vor gut einem Monat reiste Ömer Bengi auf legalem Weg nach Serbien und wollte nach einer Woche weiter nach Rumänien. Um nicht vom Grenzschutz erwischt zu werden, musste er zwei Tage und Nächte durch den Wald laufen. In Rumänien kam die Gruppe in der Pension Elizeu unter. Dort warteten Ömer und die anderen auf Nachricht von Leuten, die zugesagt hatten, sie im LKW nach Deutschland zu bringen. Dann fand eine Razzia in der Pension statt.

„Mit etwa sechzig weiteren Menschen wurde ich zu einem Rückführungszentrum gebracht. Wir mussten auf dem Hof warten. Unsere Telefone wurden beschlagnahmt, unsere Forderung nach einem Rechtsbeistand wurde abgelehnt. Wir waren 130 Menschen und es war kalt. Drei Tage lang mussten wir auf dem Beton ausharren, natürlich ohne Decken, wir bekamen nicht einmal Essen und Trinken. Wir tranken Wasser aus dem Hahn auf der Toilette. Manchmal wurden wir in einen kleinen Container geholt, wo wir uns aufzuwärmen versuchten. Wir waren jedoch zu viele und passten nicht alle hinein. Es gab sogar welche, die in der Kälte ihr Bewusstsein verloren“, berichtet Ömer.

Ömer und die anderen wurden über einen türkisch- und kurdischsprachigen Dolmetscher angehört. „Er hat sich eher wie ein Polizist verhalten und uns überhaupt nicht geholfen. Wir wurden gezwungen, einen Haufen Papiere zu unterzeichnen. Die Polizisten, die uns verhörten, fragten überhaupt nicht nach Asylgründen. Sie wollten bloß wissen, wer die Schlepper sind, die uns nach Deutschland bringen sollten. Meine Aussage fanden sie nicht glaubwürdig, deshalb wurde ich geschlagen und musste stundenlang mit den Händen auf dem Rücken gefesselt auf dem Hof stehen. Danach wurden wir ins Gefängnis gebracht. Am Eingang wurden wir gezwungen, uns nackt durchsuchen zu lassen. Wir wurden jeweils zu fünft in eine Zelle gesteckt. Es gab keine Luft in dem Raum, wir konnten kaum atmen. Es gab nicht einmal genug Platz, um auf und ab zu laufen. Wir warteten immer noch darauf, dass wir als Asylsuchende in ein Lager kommen, aber wir wurden zum Flughafen gebracht. Ich gehörte zu denen, die abgeschoben wurden. Wir versuchten uns zu wehren, aber wir wurden ins Flugzeug gesetzt.“

Ömer Bengi sagt, dass junge Menschen keine Zukunft in der Türkei sehen. Es herrscht Unterdrückung, es gibt keine Arbeit, die Menschen wissen nicht, wie sie ihren Lebensunterhalt verdienen sollen. Alles, was er will, ist ein ganz normales Leben.