Hundert Tage Widerstand an Istanbuler Bosporus-Universität

Seit dem 4. Januar protestieren Studierende gegen die Ernennung des Erdogan-Günstlings Melih Bulu zum Rektor der Istanbuler Boğaziçi-Universität. Auch der Lehrkörper sieht die Zwangsverwaltung als schweren Eingriff gegen universitäre Autonomie.

Seit hundert Tagen wird in Istanbul gegen die Berufung des AKP-Politikers Melih Bulu zum Rektor der Boğaziçi-Universität durch Präsident Erdogan protestiert. Studierende und Lehrende der renommierten Hochschule lehnen die Ernennung von Bulu als Eingriff in die universitäre Autonomie ab und werden dabei von breiten Kreisen aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft unterstützt. Polizei und Justiz haben seit Jahresbeginn versucht, die Proteste niederzuschlagen. Hunderte Menschen sind auf der Straße, auf dem Campus oder in ihren Wohnungen festgenommen, bedroht und misshandelt worden, Dutzende wurden verhaftet.

Heute kamen ein weiteres Mal Akademikerinnen und Akademiker auf dem Südcampus zusammen, um dem Rektorat in einem symbolischen Akt der Ablehnung den Rücken zuzuwenden. Im Beisein von Studierenden erklärte der Lehrbeauftragte Kuban Altınel, dass Hochschulabsolventen und Medienschaffenden der Zugang zum Campus verwehrt wird, während schwer bewaffnete Polizeieinheiten um die Universität herum positioniert sind. Altınel erinnerte an die bei den Protesten erfolgten Festnahmen und bezeichnete den von Erdogan eingesetzten Rektor als Zwangsverwalter.

So sei beispielsweise die Koordinatorin des Ausschusses gegen sexuelle Übergriffe angeblich aus finanziellen Gründen in den unbezahlten Urlaub geschickt worden. Der landesweit vorbildliche Ausschuss wird laut Altınel inzwischen vom stellvertretenden Rektor kontrolliert und ist praktisch handlungsunfähig. „Die ohne Rücksprache mit universitären Gremien getroffene Entscheidung zum Abriss der Unterkünfte für den Lehrkörper ist uns wie alle anderen Beschlüsse, die uns direkt betreffen, lediglich per Email übermittelt worden“, fügte Altınel hinzu.