„Heval Sara veränderte meinen Lebensweg“

Am elften Jahrestag ihrer Ermordung lebt Sakine Cansız im Bewusstsein von Abermillionen Menschen weiter. Salîm Omer erzählt von der Bedeutung der kurdischen Revolutionärin für seinen Lebensweg.

Die kurdische Revolutionärin Sakine Cansız (Sara), Mitbegründerin der PKK und Vorreiterin des Frauenkampfes, wurde am 9. Januar 2013 zusammen mit Fidan Doğan (Rojbîn) und Leyla Şaylemez (Ronahî) von einem Killer des türkischen Geheimdienstes MIT in Paris ermordet. Die Ermordeten leben jedoch in den Erinnerungen von Millionen Menschen weiter.


Salîm Omer ist ein Zeitzeuge, er teilte seine Erinnerungen an Sakine Cansız im ANF-Gespräch. Salîm Omer lebte zwischen 1977 bis zur Revolution in Rojava in Damaskus. Er lernte die PKK 1980 kennen. Die PKK hatte sich zu dieser Zeit zu einer Reorganisierung und Vorbereitung des Befreiungskampfes nach Syrien zurückgezogen und leistete dort Organisierungsarbeit. Dies löste bei vielen Kurd:innen, so auch bei Salîm Omer, einen Bewusstwerdungsprozess aus.


Heval Sara änderte meinen Lebensweg

Omer erinnerte sich: „Die Diskussionen über die Rückkehr nach Nordkurdistan fanden 1982–1983 statt, denn es wurde festgestellt, dass der Widerstand in den Kerkern unter massivem Druck stand. Es wurde beschlossen, dass eine neue Art des Kampfes notwendig war. In einem solchen Umfeld sah ich in einer Zeitschrift das Foto von Heval Sara. Natürlich wusste ich damals nicht, wer sie war. Das Foto erregte aber meine Aufmerksamkeit. Es war ein Foto von zwei Frauen. Als ich nachfragte, wurde mir gesagt, dass es sich um Sakine Cansız, eine der Gründerinnen der PKK, handelte. Mit Sakine Cansız wurde mir klar, dass es Frauen in der PKK gab. In den Parteien in Rojavayê Kurdistanê gab es keine Frauen. Der Grund für meine Verbindung zur PKK war, dass sie sich von anderen kurdischen Bewegungen unterschied. Heval Sara war sowohl eine Frau als auch eine Pionierin. Besonders als ich von ihrem Widerstand gegen die Folter im Kerker von Amed hörte, war ich sehr beeindruckt. Das änderte meinen Lebensweg.“

Sie veränderte die Menschen“

1992 befand sich die Führung der PKK im Libanon. Dort besuchte Omer Abdullah Öcalan und traf zum ersten Mal Sakine Cansız: „Ich hatte 1992 die Gelegenheit, Rêber Apo zu besuchen. Dort traf ich auch Heval Sara. Ein Freund zeigte auf Heval Sara und sagte, sie sei gerade aus dem Kerker entlassen worden und hier angekommen. Das erste, was mir in den Sinn kam, war das in dieser Zeitschrift veröffentlichte Foto. Das Foto hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Sie war genauso beeindruckend wie auf dem Foto. Ich ging auf sie zu und sagte ihr, dass ich ein gemeinsames Foto machen wolle, sie freute sich und wir machten ein Foto zusammen. Das Foto habe ich immer noch bei mir. Die Begeisterung der Menschen, die Anwesenheit von so einer großen Menschenmenge machte Heval Sara glücklich. Die Freude der Menschen gab ihr Moral und Begeisterung. Sie war so glücklich wie das Volk.

Alle wollten Sakine Cansız sehen. Zu dieser Zeit hatte man noch nie eine Frau gesehen, die so viel Widerstand leistete. Menschen, die den Freiheitskampf aus nächster Nähe kannten, hatten gehört, dass sie sich den Folterungen des türkischen Staates nicht beugte, und sprachen mit Stolz darüber. Das Wissen, dass sie zu den Gründungspersönlichkeiten der PKK gehörte, steigerte die Verbundenheit der Menschen, Heval Sara war ein Vorbild.

So lange wir atmen, sind wir ihr zu Dank verpflichtet“

Der Widerstand von Heval Sara ging in die Geschichte ein, wurde legendär. Sie war eine entschlossene, großartige und widerständige Pionierin und Revolutionärin. Sie war ein schwer zu findendes Symbol und Vorbild für die Gesellschaft. Sie zeigte uns den Weg. Ihr Tod war ein großer Verlust, wir sind bis heute in Trauer. Dass sie gefallen ist, hat uns tief getroffen, aber auch das hat unser Volk stärker gemacht. Sie hatte einen furchtlosen und freien Geist und war eine Genossin von Rêber Apo. Solange wir atmen, stehen wir in der Schuld revolutionärer Persönlichkeiten wie Heval Sara und werden ihnen folgen.“