Hessische Friedenspreisträgerin: Leyla Güven soll leben

Die Forensikerin und Vorsitzende der Menschenrechtsstiftung TIHV, Dr. Şebnem Korur Fincancı, hat die seit 106 Tagen hungerstreikende kurdische Politikerin Leyla Güven untersucht. Die Medizinerin warnt, dass sich Güven in akuter Gefahr befindet.

Die türkische Ärztin und Vorsitzende der Menschenrechtsstiftung TIHV, Dr. Şebnem Korur Fincancı, hat die kurdische Politikerin Leyla Güven besucht. Die HDP-Abgeordnete befindet sich seit dem 7. November gegen die Isolation des kurdischen Vordenkers Abdullah Öcalan in einem unbefristeten Hungerstreik. Fincancı, die im vergangenen Jahr mit dem Hessischen Friedenspreis ausgezeichnet wurde, traf Leyla Güven am Vortag in ihrer Wohnung in der nordkurdischen Metropole Amed (Diyarbakir) und untersuchte sie. Begleitet wurde die Forensikerin von Mehmet Şerif Demir, dem Vorsitzenden der Ärztekammer Amed und dem Arzt Cengiz Günay.

Nach dem Besuch gaben die Mediziner*innen eine Pressekonferenz ab. Dr. Şebnem Korur Fincancı erklärte zum Zustand von Leyla Güven, dass sie wie erwartet stark an Gewicht und Körperkraft verloren habe. „Aufgrund der Einnahme von Flüssigkeit und B-Vitaminen zeigt sich seit Anfang der 2000er Jahre ein anderes Bild der Hungerstreiks, anders als es 1996 der Fall war. Insbesondere das Hirngewebe und die Nerven werden geschützt. Bei einem Mangel an B-Vitaminen, vor allem dem Vitamin B1, können zentralnervöse Störungen und Muskelschwund auftreten“. Die Ärztin wies allerdings darauf hin, dass es in der Türkei nicht einfach sei, an reines Thiamin zu kommen, weshalb die Hungerstreikenden B-Vitamin-Komplexpräparate einnehmen würden. „Wir konnten die Wirkung des B-Vitamins bei Leyla Güven gut beobachten. Ihr Nervensystem ist geschützt, obwohl sie seit 105 Tagen auf Nahrungsentzug ist. Trotzdem bestehen akute Risiken. Sowohl unter Rücksicht auf ihr Alter und ihre allgemeine gesundheitliche Situation müssen wir mit Vorsicht handeln. In diesem Stadium kann eine fortschreitende Schädigung des Muskelgewebes auch Probleme für das Herz verursachen“, so Fincancı.

Zur Forderung der Hungerstreikenden nach Aufhebung der Isolationshaftbedingungen, die Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali auferlegt werden, äußerte die Ärztin „Seit der Einführung von F- und L-Typ-Gefängnissen in den 2000er Jahren stehen wir als TIHV den Forderungen von Gefangenen bei und verlangen ebenfalls die Abschaffung von Isolation, die eine Form der Folter ist“. Aus diesem Grund dürfe sie in keinster Weise praktiziert werden. Die sozialen Bedingungen in den Haftanstalten müssten für alle Gefangenen gegeben sein. „Wir müssen uns der Ursache stellen, die mehr als 300 Gefangene in den türkischen Gefängnissen dazu veranlasst, in den Hungerstreik zu treten. Die Behörden sollten auf die Forderungen der Hungerstreikenden eingehen. Wir wollen, dass die Isolation in der Türkei beendet wird und diese Menschen nicht sterben“, sagte Fincancı.