100. Tag des Hungerstreiks von Leyla Güven
Seit hundert Tagen befindet sich die kurdische Politikerin Leyla Güven gegen die Isolation des inhaftierten PKK-Gründers Abdullah Öcalan in einem unbefristeten Hungerstreik.
Seit hundert Tagen befindet sich die kurdische Politikerin Leyla Güven gegen die Isolation des inhaftierten PKK-Gründers Abdullah Öcalan in einem unbefristeten Hungerstreik.
Mit dem heutigen Tag ist die kurdische Politikerin Leyla Güven seit hundert Tagen gegen die erschwerten Isolationshaftbedingungen des PKK-Gründers Abdullah Öcalan im Hungerstreik. Güven nahm ihren Hungerstreik am 7. November des vergangenen Jahres im Gefängnis von Amed (Diyarbakir) auf. Zu dem Zeitpunkt befand sich die Ko-Vorsitzende des zivilgesellschaftlichen Zusammenschlusses DTK (Demokratischer Gesellschaftskongress) aufgrund ihrer Kritik an der türkischen Militärinvasion in der nordsyrischen Kantonshauptstadt Efrîn in Untersuchungshaft. Ihren Hungerstreik gab die Politikerin, die am 24. Juni 2018 als Abgeordnete der Demokratischen Partei der Völker (HDP) in die türkische Nationalversammlung gewählt wurde, während der Hauptverhandlung im Prozess gegen sie bekannt. Diese Ankündigung konnte nur über Videoschaltung in den Gerichtssaal übertragen werden, da Leyla Güven sich geweigert hatte, in Handschellen aus dem Gefängnis in das städtische Gerichtsgebäude transportiert zu werden. In der aus dem Gefängnis übertragenen Videoschaltung erklärte die Politikerin zu ihrem Hungerstreik: „Diese Isolation gilt nicht nur einer Person, sondern einem gesamten Volk. Ich bin in die Politik gegangen, weil mich das Paradigma Abdullah Öcalans dazu motiviert hat. Isolation ist ein Verbrechen. Ich werde meinen Hungerstreik fortsetzen, bis die Justiz ihre unrechtmäßigen Entscheidungen aufhebt und die Isolation beendet wird.“
Ein Jahr in Untersuchungshaft
Ein Jahr nach ihrer Festnahme wurde Leyla Güven am 25. Januar aus der Haft entlassen. Der Prozess gegen sie läuft unterdessen weiter. Die türkische Justiz wirft der 55-Jährigen unter anderem die Gründung und Leitung einer bewaffneten Organisation sowie eine Reihe von Verstößen gegen das Versammlungs- und Demonstrationsgesetz vor. Die Staatsanwaltschaft fordert zwischen 25 und 46,5 Jahren Haft. Ihr Rechtsbeistand berief sich auf die parlamentarische Immunität von Leyla Güven und forderte die Einstellung des Verfahrens. Das Gericht lehnte den Antrag ab.
Bereits der zweite Hungerstreik gegen die Isolation
Abdullah Öcalan befindet sich auf den Tag genau seit zwanzig Jahren auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali in Isolationshaft. Seine Anwälte haben seit 2011 keinen Zugang mehr zu ihm. Seit Abbruch der Friedensverhandlungen mit der PKK durch die türkische Regierung im Jahr 2015 wird Öcalan von der Öffentlichkeit abgeschottet. Sein Bruder Mehmet Öcalan konnte ihn am 12. Januar erstmalig nach zweieinhalb Jahren kurz auf der Gefängnisinsel Imrali besuchen. Das Ziel des Hungerstreiks von Leyla Güven, dem sich bisher 301 politische Gefangene in der Türkei sowie etliche Aktivistinnen und Aktivisten weltweit angeschlossen haben ist die Gewähr regelmäßiger Kontakte zu Öcalan, der als Schlüsselfigur für eine Lösung der kurdischen Frage gilt. Aus diesem Grund lehnte es Leyla Güven ab, ihre Aktion zu beenden. „Die Isolation ist nicht vorbei“, erklärte die kurdische Politikerin gegenüber der Frauennachrichtenagentur JinNews. „Niemand kann erwarten, dass wir unsere Aktion nach diesem Besuch beenden (…). Abdullah Öcalan soll es gut gehen. Diese Information ist natürlich sehr wichtig. Ich bin mir sicher, dass die Nachricht Freude in der kurdischen Bevölkerung ausgelöst hat. Wie jedoch alle wissen, ist die Isolation mit diesem Besuchstermin nicht aufgehoben. Wir haben entsprechende Erfahrungen in der Vergangenheit gemacht. 2016 haben fünfzig kurdische Politikerinnen und Politiker, darunter auch ich, einen Hungerstreik für die Beendigung der Isolation gemacht. Als die AKP damals Mehmet Öcalan zu Abdullah Öcalan nach Imrali schickte und eine Botschaft von Abdullah Öcalan kam, haben wir den Hungerstreik beendet. Die Isolation ging jedoch weiter. Jetzt ist die gleiche Methode wieder probiert worden.
Abdullah Öcalan Schlüsselfigur für Frieden
Abdullah Öcalan ist eine politische Führungspersönlichkeit. Er wird nicht wegen seiner Familie auf der Insel festgehalten. Wie alle anderen Gefangenen hat er das Recht auf Angehörigenbesuche. Unsere Forderung war von Anfang an eindeutig. Mit der Aufhebung der Isolation haben wir eingefordert, dass Öcalan mit seinen Angehörigen, seinen Verteidigern und politischen Delegationen sprechen und seine Bemühungen für eine demokratische Lösung und einen dauerhaften Frieden fortsetzen kann. Daher sollte nicht von uns erwartet werden, dass mit nach diesem Besuch unsere Aktion beenden. Unsere Forderungen sind nicht ungesetzlich, sondern legitim. Sollte es das Ziel des faschistischen AKP/MHP-Regimes sein, uns dafür bezahlen zu lassen: Wir haben diesen Preis ins Auge gefasst, als wir mit dem Streik begonnen haben. Wir möchten dieses faschistische Regierungsbündnis warnen: Wenn Särge aus den Gefängnissen getragen werden, werdet auch ihr nicht so tun können, als sei nichts geschehen. Niemand sollte denken, dass das kurdische Volk stillhalten wird, wenn täglich weitere der inzwischen 226 Hungerstreikenden folgen (…).
Leyla Güven setzt Hungerstreik zu Hause fort
Seit ihrer Entlassung aus dem Gefängnis setzt Leyla Güven ihren Hungerstreik in ihrer Wohnung in Amed (Diyarbakir) fort. Ihr Gesundheitszustand verschlechtert sich dramatisch, sie leidet aufgrund des seit 100 Tagen andauernden Nahrungsentzugs unter massiven gesundheitlichen Problemen. Die Politikerin hat bereits rund 15 Kilo Körpergewicht verloren, außerdem leidet sie unter Müdigkeits- und Schwächegefühlen, heftigen Magenkrämpfen, Lichtempfindlichkeit und schwankendem Sehvermögen, einem eingeschränkten Geruchsvermögen und kann sich ohne Hilfe nicht mehr bewegen. Am Mittwoch wurde sie nach einem Schwächeanfall in ein Krankenhaus eingeliefert. Die Ärzte empfohlen ihr eine intensivmedizinische Behandlung, doch die Politikerin lehnte ab und kehrte zurück in ihre Wohnung.