Die Ko-Vorsitzenden der Demokratischen Partei der Völker (HDP), Pervin Buldan und Mithat Sancar, wollen Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali besuchen. Das gab die HDP-Sprecherin Ebru Günay auf einer Pressekonferenz in der Parteizentrale in Ankara bekannt. Günay und der Abgeordnete Ömer Öcalan, ein Neffe von Abdullah Öcalan, gehören ebenfalls zu der HDP-Delegation, die einen Besuchsantrag beim türkischen Justizministerium beantragte.
Ebru Günay erklärte auf der Pressekonferenz, dass die Verweigerungshaltung der Regierung hinsichtlich einer Lösung der kurdischen Frage, einer Kriegserklärung gegenüber der Existenz des kurdischen Volkes gleichkommt: „Diese feindliche Politik wurde mit dem Isolationssystem auf Imrali eingeleitet. Seit Jahren hat Herr Öcalan Lösungs- und Friedensvorschläge entwickelt und diese sowohl der Öffentlichkeit als auch den zuständigen Gesprächspartnern bei den Verhandlungen auf Imrali vorgelegt. Diese Vorschläge könnten Frieden zwischen den Völkern gewährleisten, die Türkei demokratisieren und die kurdische Frage lösen. Es sind eben diese Vorschläge, die von der Regierung isoliert werden. Für die Fortsetzung der Kriegspolitik, für die Fortsetzung der Politik der Verleugnung, für die Institutionalisierung des Faschismus durch die AKP/MHP-Regierung war das erste, was sie getan hat, Herrn Öcalan zu isolieren."
Die HDP kämpfe seit langer Zeit gegen die Isolation an, führte Günay weiter aus und sagte: „Wir erneuern unsere Aufforderung an das Justizministerium, unseren Antrag positiv zu bescheiden. Denn wie allgemein bekannt ist, sind die Zeiten, in denen die Kanäle für einen Dialog mit Herrn Öcalan auf Imrali geöffnet sind, die Zeiten, in denen über eine friedliche Lösung der kurdischen Frage in der Türkei diskutiert werden kann und eine Kultur der Demokratie etabliert wird."
Kein Lebenszeichen seit März 2021
Das Antifolterkomitee des Europarates (CPT) hat im September einen Ad-hoc-Besuch in der Türkei absolviert und mehrere Haftanstalten inspiziert, unter anderem auch das Hochsicherheitsgefängnis Imrali im Marmarameer. Das Inselgefängnis bei Bursa beherbergt nur vier Gefangene – der bekannteste von ihnen ist Abdullah Öcalan, Vordenker der kurdischen Befreiungsbewegung. Der 73-Jährige wird seit seiner Verschleppung 1999 in die Türkei auf Imrali in politischer Geiselhaft gehalten.
Abdullah Öcalan und seine drei Mitgefangenen werden seit Jahren isoliert. Seit 2019 gilt auf Imrali wieder ein striktes Anwaltsverbot, der letzte Besuch des Verteidigungsteams von Öcalan fand im August 2019 statt. Konar, Yıldırım und Aktaş haben seit ihrer Verlegung in das Inselgefängnis 2015 noch nie von ihrem Recht auf anwaltliche Vertretung Gebrauch machen können.
Ein letztes Lebenszeichen aus Imrali gab es in Form eines Telefonats Öcalans mit seinem Bruder im März 2021, das aus unbekannten Gründen nach wenigen Minuten abbrach. Die Istanbuler Anwaltskanzlei Asrin, die alle vier Imrali-Gefangenen vertritt, stellt zwar regelmäßig Besuchsanträge, um ihre Mandanten zu sehen. Die türkischen Behörden lehnen diese Ersuchen jedoch ab oder ignorieren sie. Ähnlich verhält es sich bei Besuchsanträgen von Familienangehörigen. Seit Juni haben etwa 2000 Anwältinnen und Anwälte aus Dutzenden Ländern beim türkischen Justizministerium eine Erlaubnis für einen Besuch bei Abdullah Öcalan beantragt, um die Isolation auf Imrali zu durchbrechen. Auf diese Initiativen folgten ebenfalls keine Reaktionen.
Bevor der türkische Staat 2015 den sich anbahnenden Friedensprozess mit der PKK abbrach, fungierte eine Delegation der HDP als Vermittlerin und führte Gespräche auf Imrali und im Qendîl-Gebirge in Südkurdistan.