Hausarrest für Teilnahme an Massaker-Gedenken

Ein Istanbuler Gericht hat Meldeauflagen gegen vierzehn Teilnehmende einer Gedenkveranstaltung für die Toten des IS-Anschlags von Pirsûs verhängt, zwei weitere erhielten Hausarrest. Insgesamt waren am Vortag 104 Personen gewaltsam festgenommen worden.

Ein Gericht in der westtürkischen Metropole Istanbul hat Meldeauflagen gegen mehrere Teilnehmende einer Gedenkveranstaltung für die Toten des IS-Anschlags von Pirsûs (tr. Suruç) verhängt. Die Betroffenen waren am Mittwoch bei einer von der sogenannten Aufstandspolizei gewaltsam aufgelösten Demonstration im Stadtteil Kadıköy festgenommen worden. Insgesamt wurden 104 Personen in Gewahrsam genommen und in das als Folterzentrum berüchtigte Polizeipräsidium Vatan gebracht. Während 88 von ihnen am frühen Donnerstagmorgen im Anschluss an eine polizeiliche Befragung wieder auf freien Fuß gesetzt wurden, sind 16 Personen bei Gericht vorgeführt worden. Die Staatsanwaltschaft beantragte Untersuchungshaft.

Begründet wurde der Antrag mit einem angeblichen Verstoß gegen das türkische Demonstrationsgesetz Nr. 2911 und dem Vorwurf „Widerstand gegen die Staatsgewalt“. Die Strafabteilung am Amtsgericht Istanbul verwarf zwar die Forderung nach U-Haft, ordnete jedoch gegen vierzehn Festgenommene polizeiliche Meldeauflagen an – als „Präventivmaßnahme“. Sie müssen nun regelmäßig bei den Behörden vorstellig werden und dürfen die Stadt nicht verlassen. Gegen die Aktivist:innen Berfin P. und Muhammed Rojhat D. wurde elektronisch überwachter Hausarrest verhängt.

Der Anschlag von Pirsûs

Bei dem Anschlag von Pirsûs am 20. Juli 2015 sind 33 hauptsächlich junge Menschen von einem IS-Attentäter getötet worden, 104 weitere wurden teils schwer verletzt. Der Anschlag ereignete sich, als sich auf Aufruf der Föderation Sozialistischer Jugendvereine (SGDF) 300 junge Menschen im Kulturzentrum Amara versammelten, um vor ihrer Abreise in die westkurdische Stadt Kobanê in Nordsyrien eine Pressekonferenz abzuhalten. Die geplante Fahrt auf die andere Seite der Grenze sollte ein Akt der Solidarität sein. Die Jugendlichen wollten Kinderspielzeug und humanitäre Hilfsgüter in die vom IS zerstörte Stadt bringen.

„Kampf um Gerechtigkeit für die Traumreisenden fortsetzen“

Zu dem Gedenken für die Opfer des Attentats hatte gestern die „Initiative der Suruç-Familien“ eingeladen. Zunächst wurde auf der Halitağa Caddesi eine Kundgebung abgehalten, Rednerinnen und Redner bekräftigten, den „Kampf um Gerechtigkeit für die Traumreisenden“ fortsetzen zu wollen. Unter den Anwesenden waren Mitglieder diverser linker Parteien und Organisationen, darunter von der HDP, ESP, DP, SYKP und der Zivilgesellschaft. Nach der Kundgebung veranstalteten Aktive der linken Jugendbewegung eine Demonstration durch Kadıköy unter dem Motto „Wir fordern Rechenschaft für Suruç“. Die Aufstandspolizei versuchte die Demonstration noch durch Absperrungen zu verhindern. Als dies nicht gelang, wurden die Teilnehmenden eingekesselt. Im letzten Jahr hatte die türkische Polizei das Pirsûs-Gedenken in Kadıköy mit Tränengas und Gummigeschossen angegriffen. Unter zahlreichen Verletzten hatten sich auch mehrere Journalist:innen befunden.