Ermittlungen gegen Opfer des IS-Anschlags in Pirsûs
Der Kampf um Gerechtigkeit werde niemals aufgegeben, erklärten jüngst Angehörige der Opfer und Verletzte des IS-Massakers 2015 in Pirsûs anlässlich von Ermittlungen gegen sie.
Der Kampf um Gerechtigkeit werde niemals aufgegeben, erklärten jüngst Angehörige der Opfer und Verletzte des IS-Massakers 2015 in Pirsûs anlässlich von Ermittlungen gegen sie.
In der letzten Anhörung des Prozesses, der am 22. Oktober 2021 wegen der Ermordung von 33 Menschen in Pirsûs (tr. Suruç) durch einen Bombenanschlag des „Islamischen Staates“ (IS) im Jahr 2015 stattfand, wurde Klage gegen die zehn Personen eingereicht, die sich dagegen wehrten, dass nur eine Person, Yakup Şahin, zu 34-facher verschärfter lebenslanger Haft verurteilt wurde.
Bei dem Anschlag vor sieben Jahren sind 33 hauptsächlich junge Menschen von einem IS-Attentäter getötet worden, 104 weitere wurden teils schwer verletzt. Der Anschlag ereignete sich, als sich auf Aufruf der Föderation Sozialistischer Jugendvereine (SGDF) 300 Menschen im Kulturzentrum Amara versammelten, um vor ihrer Abreise nach Kobanê eine Pressekonferenz abzuhalten. Die geplante Fahrt nach Nordsyrien sollte ein Akt der Solidarität sein. Die Jugendlichen wollten Kinderspielzeug und humanitäre Hilfsgüter in die vom IS zerstörte Stadt bringen.
Die Generalstaatsanwaltschaft in Riha (tr. Urfa) leitete ein Ermittlungsverfahren gegen den Ko-Vorsitzenden der Sozialistischen Partei der Unterdrückten (ESP), Şahin Tümüklü, Çağla Seven und Koray Türkay, die in Pirsûs verletzt wurden, die Familien der Ermordeten Feti Aydın, Sultan Yıldız, Mehmet Özkan, Özgen Sadet, Yusuf Yurtgül und Yasemin Boyraz sowie die Rechtsanwältin Sezin Uçar wegen „Bedrohung und Beleidigung" ein. Im Rahmen der Ermittlungen begaben sich Familien der Opfer und bei dem Bombenanschlag verletzten Personen auf die Polizeistationen, um ihre Aussagen zu machen.
„Ein faires Gerichtsverfahren wurde von Anfang an nicht durchgeführt“
Çağla Seven, eine verletzte Überlebende des Massakers, und Mehmet Özkan, Vater von Uğur Özkan, der bei dem Anschlag ums Leben kam, geben Einschätzungen zu den Ermittlungen ab. Seven erklärt, dass die Hoffnung auf Frieden, Ruhe und Geschwisterlichkeit der gesamten Gesellschaft mit dem Massaker zerstört wurde, und dass die Nachwirkungen der schrecklichen Explosion immer noch andauern. Sie macht den Staat für das Massaker verantwortlich und erinnert daran, dass, nachdem der Anschlag zum Gegenstand eines Gerichtsverfahrens wurde, eine 18-monatige „Vertraulichkeitsentscheidung" für die Akte getroffen wurde. Seven betont, dass der Fall unterschlagen und die Ermittlungen nicht ernsthaft geführt wurden: „Ein fairer Prozess wurde von Anfang an nicht durchgeführt".
Staatliche Beteiligung an dem Massaker
Sie führt weiter aus, dass es nicht nur einen Verdächtigen für das Massaker gebe, und fordert, alle Mörder zu finden und für Gerechtigkeit zu sorgen. Es würden die Familien derjenigen, die bei dem Anschlag ihr Leben verloren haben, und diejenigen, die verletzt wurden, vor Gericht gestellt – und nicht die Täter. Seven fährt fort: „Die Regierung hat den Fall nicht als ein Massaker an der Gesellschaft betrachtet, sondern als wären nur einige linke Jugendliche davon betroffen. Aber wir wollten vom ersten Tag an an die umfassende Gerechtigkeit glauben."
„Gerichtsausschuss hat nichts unternommen“
Mehmet Özkan, der seinen Sohn Uğur Özkan bei dem Massaker verloren hat, erklärt ebenfalls, dass seine Forderungen in Bezug auf den Fall ständig abgelehnt wurden. In Bezug auf die Ereignisse bei der letzten Anhörung sagt er: „Sie haben den Familien, die sich bei der letzten Anhörung zu Wort gemeldet haben, verboten, sich noch einmal zu äußern, als wir das letzte Mal vor Gericht waren. Sie wollen den Fall einfach abschließen und damit fertig werden. Ich habe dem Richter gesagt, dass ich seit sieben Jahren zu diesem Prozess komme. Ich hatte sieben Operationen, nachdem mein Sohn getötet wurde, und habe mehrere chronische Krankheiten. Selbst das hat mich nicht davon abgehalten, zu diesem Prozess zu gehen. Ich habe mich verschuldet, um hierher zu kommen. Wie kann ich hierher kommen und nicht sprechen? Wir werden reden. Daraufhin rief der Richter Soldaten herbei, um uns aus dem Gerichtssaal zu zerren. Sie richteten ihre Waffe auf uns. Im Gerichtssaal! Was ist das für ein Gericht? Ist so etwas schon einmal in einem anderen Land passiert? Sie lassen uns nicht mit Stiften rein. Aber eine ganze Kompanie von Soldaten stürmt bewaffnet in den Gerichtssaal. Sie wollen auch uns noch umbringen."
Er fährt fort: „Wenn sie dieses Massaker wirklich aufklären wollten, hätten sie das Videomaterial des Anschlags nicht verloren. Das Video ist immer noch verschwunden."