Die Versammlungsbehörde bei der Polizei Hamburg will das „System Change Camp“ nicht zulassen, das vom 9. bis 15. August im Hamburger Stadtpark aufgebaut werden soll. Die Organisierenden haben deshalb am Montag ein Eilverfahren eingeleitet, um gerichtlich gegen diese Einschränkung der Versammlungsfreiheit vorzugehen.
Für das Protestcamp in Hamburg haben sich über 30 politische Gruppen zusammengeschlossen. Es soll die Kämpfe klimapolitischer Bewegungen, antikolonialer und antimilitaristischer Gruppen vereinen und richtet sich explizit gegen den Neubau von Terminals für Flüssigerdgas (LNG). Doch die Hamburger Versammlungsbehörde hat mit Bescheid vom 29. Juli entschieden, dass das Camp an einen anderen Ort zu verlegen und deutlich zu verkleinern sei. Auch das Übernachten in Zelten, die Versorgung mit Trinkwasser und Essen sollen laut Auflagen untersagt bleiben.
„Es ist ein Skandal, wie Hamburg unsere Rechte mit Füßen tritt“, zeigte sich Luka Scott von dem Bündnis in einer Mitteilung empört. „Wir erwarten zu unserem System Change Camp mehrere tausend Menschen von überall her. Wir haben für eine Woche ein großes Programm vorbereitet mit vielen verschiedenen politischen Veranstaltungen. Uns die notwendige Infrastruktur mit Schlafzelten, Essensversorgung und sogar das Trinkwasser zu verweigern, ist ein Affront gegen uns und ein Rechtsbruch.“ Es scheint so, als säßen „Verfassungsfeinde“ in der Versammlungsbehörde Hamburgs.
Bundesverwaltungsgericht: Besondere rechtliche Schutzwürdigkeit für Camps
Erst kürzlich hatte das Bundesverwaltungsgericht solchen Protestcamps in einem Grundsatzurteil eine besondere rechtliche Schutzwürdigkeit zugesprochen. Demnach stehen auch Infrastruktur und Übernachtungszelte unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit. Selbst das Verwaltungsgericht Hamburg hat noch im Mai ganz ähnlich entschieden. Anlass war ausgerechnet ein Protestcamp, das ebenfalls im Hamburger Stadtpark hätte stattfinden sollen und von der Versammlungsbehörde mit restriktiven Auflagen unmöglich gemacht worden war – rechtswidrig, wie das Hamburger Gericht nun klarstellte.
Anwalt: Klimaschutz gehört zu Zielen der Verfassung
Der Göttinger Rechtsanwalt Nils Spörkel, der das Klimagerechtigkeitsbündnis Ende Gelände als Mitorganisatorin in der Sache gerichtlich vertritt, erklärt dazu: „Bereits beim G20-Gipfel in Hamburg 2017 hat die Hamburger Versammlungsbehörde versucht, legitime Protestcamps zu unterbinden. An diese unrühmliche Tradition knüpft sie jetzt entgegen der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Klimacamps an. Hinzu kommt, dass Klimaschutz nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Zielen unserer Verfassung gehört. Umso mehr ist Protest gegen klimafeindliche Politik vom Recht auf Versammlungsfreiheit geschützt.“
„Grote scheint es nicht so ganz genau zu nehmen mit Demokratie und Rechtsstaat“
Charly Dietz von Ende Gelände sieht ein Defizit bei Hamburgs Innen- und Sportsenator Andy Grote (SPD) bezüglich dessen Wahrnehmung in Bezug auf Demokratie und Rechtsstaat. „Dass die Grünen als Koalitionspartner mittragen, dass die Innenbehörde jegliche Kooperation verweigert, Grundsatzurteile ignoriert und Klimaaktivist:innen Steine in den Weg legt“, gehe ebenfalls nicht. „Wir sehen die Grünen in der Pflicht, ihren Einfluss geltend zu machen, damit diese repressive Fehlentscheidung korrigiert wird“, so Dietz.
Kundgebung gegen Bescheid
Beim „System Change Camp“ in Hamburg werden bis zu 6.000 Teilnehmende erwartet. Dem organisierenden Bündnis gehören neben Ende Gelände unter anderem die Initiativen Lützerath Lebt, Abya Yala Anticolonial, Animal Rebellion, die Kampagne Women Defend Rojava und die Interventionistische Linke an. Am Mittwoch, dem 3. August, wird es in Hamburg zudem eine Kundgebung gegen den Bescheid der Versammlungsbehörde geben. Die Aktion unter dem Motto „Das ist alles von der Versammlungsfreiheit gedeckt!“ startet um 10 Uhr auf dem Rathausmarkt.
Titelfoto: Ende Gelände-Klimacamp 2019 | Kristoffer Schwetje Sustainable Photography