Gültan Kışanak: Die Verteidigung von Kobanê war eine Gewissensfrage

Gültan Kışanak ist zurück in Amed, wo sie vor siebeneinhalb Jahren als Oberbürgermeisterin verhaftet wurde. Die kurdische Politikerin wurde begeistert mit den Rufen „Jin Jiyan Azadî“ und „Es lebe der Widerstand von Kobanê!“ begrüßt.

Ehemalige Oberbürgermeisterin nach Freilassung zurück in Amed

Die kurdische Politikerin Gültan Kışanak ist nach ihrer Freilassung aus dem Hochsicherheitsgefängnis Kocaeli in der Westtürkei am Donnerstagabend heute nach Amed (tr. Diyarbakir) geflogen und von zahlreichen Menschen begrüßt worden. Zum Empfang der ehemaligen Oberbürgermeisterin von Amed, die 2016 verhaftet und gestern im Kobanê-Verfahren zusammen mit Dutzenden weiteren Politiker:innen zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde, waren unter anderem die neuen Ko-Bürgermeister:innen Doğan Hatun und Serra Bucak sowie die Ko-Bürgermeister:innen von Mêrdîn, Devrim Demir und Ahmet Türk, gekommen. Ahmet Türk war ebenfalls unter den 108 Angeklagten im Kobanê-Prozess und wurde zu zehn Jahren Haft verurteilt.

Der Empfang von Gültan Kışanak am Flughafen von Amed war bewegend. Die heute 62-Jährige, die bereits nach dem Militärputsch in der Türkei von 1980 jahrelang im Foltergefängnis von Amed war, begrüßte alte Weggefährtinnen mit innigen Umarmungen und sagte, dass sie nicht frei sei, solange nicht alle Gefangenen freigelassen werden. Von den 36 Angeklagten, gegen die am Donnerstag das Urteil verkündet worden ist, wurden 24 zu hohen Strafen verurteilt, darunter die früheren HDP-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş und Figen Yüksekdağ zu 42 beziehungsweise 30 Jahren Haft. Gültan Kışanak sowie Sebahat Tuncel, Ayla Akat Ata, Meryem Adıbelli und Ayşe Yağcı wurden ebenfalls verurteilt, kamen jedoch unter Anrechnung ihrer langen Untersuchungshaft frei.

Vor der Zentrale der DEM-Partei wurde Gültan Kışanak mit den Parolen „Jin Jiyan Azadî“ (Frau Leben Freiheit) und „Es lebe der Widerstand von Kobanê!“ begrüßt. Kışanak sagte vor der begeisterten Menschenmenge, dass die Verteidigung von Kobanê gegen den IS-Angriff im Jahr 2014 eine menschliche Verpflichtung war und weltweit unterstützt wurde. „Es war eine Gewissensfrage und damals sind wirklich alle für Menschlichkeit eingetreten“, so die Politikerin. Die gestern gesprochenen Urteile seien juristisch und moralisch unhaltbar.

Fotos: MA