Kışanak-Buch unter Terrorverdacht verboten

Völlig unbemerkt von der Öffentlichkeit war das von Gültan Kışanak in Haft verfasste Buch „Die Farbe Lila in der kurdischen Politik“ seit 2022 in der Türkei verboten. Es würde „Merkmale der Terrorpropaganda“ tragen.

„Die Farbe Lila in der kurdischen Politik“

Völlig unbemerkt von der Öffentlichkeit war das von Gültan Kışanak in Haft verfasste Buch „Die Farbe Lila in der kurdischen Politik“ (Originaltitel „Kürt Siyasetinin Mor Rengi”) seit rund eineinhalb Jahren in der Türkei verboten. Wie erst jetzt bekannt wurde, ist das 2018 im Dipnot-Verlag in Ankara erschienene Werk bereits im November 2022 per Beschluss eines Gerichts in Izmir aus den Buchhandlungen verbannt worden – weil es Merkmale der „Terrorpropaganda“ tragen würde. Weder Kışanak, die seit rund acht Jahren im Gefängnis ist, noch der herausgebende Verlag wurden über die Gerichtsentscheidung informiert. Der Vorgang wurde nur deshalb bekannt, weil die Polizei eine Ausgabe des Buches bei der Durchsuchung des vor wenigen Tagen festgenommenen MA-Journalisten Mehmet Aslan als angebliches „Beweismittel“ für Terrorvorwürfe beschlagnahmte – mit Verweis auf eine Kopie jenes Verbotsbeschlusses.

Gültan Kışanak, die Oberbürgermeisterin der kurdischen Metropole Amed (tr. Diyarbakır) war, bis sie des Amtes enthoben und durch einen von der türkischen Regierung eingesetzten Zwangsverwalter ersetzt wurde, hat die „Die Farbe Lila in der kurdischen Politik“ mit Unterstützung ihrer Mitgefangenen im Gefängnis von Kandıra verfasst. Die Texte in dem Buch zeugen von dem entschlossenen Kampf kurdischer Frauen gegen das patriarchale Herrschaftssystem in der Politik. Zu den Autorinnen gehören Frauen wie Aysel Tuğluk, Figen Yüksekdağ, Leyla Güven und Sebahat Tuncel – Weggefährtinnen aus der kurdischen Frauenbewegung und demokratischen Politik, die teilweise ebenfalls im Gefängnis sitzen.

Gültan Kışanak (c) Bianet

Meral Danış Beştaş, Abgeordnete der DEM-Partei in der türkischen Nationalversammlung, zeigte sich fassungslos über das Buchverbot. Auf X, ehemals Twitter, schrieb sie: „Es reicht! Ja, wir sind die Farbe Lila der Politik, unsere Linie ist der Widerstand für Gleichberechtigung und Freiheit.“ Nicht strafrechtlich Relevantes sondern Licht in dem Buch würde die Türkei vorwärtsbringen, wenn es denn zu Tage gefördert würde. „Wie dem auch sei: Wir sind diesem Licht verbunden, und werden es auch weiterhin sein.“ Beştaş war es auch, die bekannt gab, dass der Verbotsbeschluss aufgrund eines Einspruchs bei einer höheren Instanz bereits gestern wieder aufgehoben wurde. Der Dipnot-Verlag bestätigte, dass das Verbot kassiert worden ist. Ob und wie viele Ausgaben des Buches von Kışanak nach der Gerichtsentscheidung von 2022 von der Polizei bei Buchhandlungen zwecks Vernichtung konfisziert wurden, darüber hat der Verlag keine Kenntnis.