Die Grüne Linkspartei („Yeşil Sol Parti”, kurz YSP) hat ihre Neugründung bekanntgegeben. „Nachdem wir unsere demokratische Pflicht erfüllt haben, als Teil des Bündnisses für Arbeit und Freiheit anstelle der HDP zu den Wahlen anzutreten, nehmen wir nun wieder unseren unabhängigen und ursprünglichen Platz im politischen Kampf ein“, teilte die Parteiführung in einer Mitteilung mit. Außerdem veröffentlichte sie das neue Logo der YSP.
Die YSP ging 2012 aus dem Zusammenschluss der Partei für Gleichheit und Demokratie (EDP) mit der Grüne Partei hervor. Sie steht ideologisch für einen ökologischen Sozialismus und strebt eine Gesellschaft an, die sich auf Pluralismus, Freiheit, Ökologie, Gleichberechtigung und Solidarität gründet. Daraus folgt die Ablehnung aller gesellschaftlichen Machtbeziehungen und Herrschaftsverhältnisse. Die YSP stellt sich die Aufgabe, eine demokratische, ökologische und gleichberechtigte Oppositionsbewegung aufzubauen, die auf eine friedliche Transformation der Gesellschaft abzielt.
YSP trat anstelle der HDP zu Wahlen an
Bei den Parlamentswahlen im vergangenen Mai trat die YSP anstelle der von einem Verbot bedrohten HDP (Demokratische Partei der Völker) im Bündnis für Arbeit und Freiheit an und kam auf 8,81 Prozent der Stimmen und 61 Abgeordnete im Parlament. Das Wahlbündnis konnte 10,54 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Bei der Wahl um das Amt des Staatspräsidenten unterstützte die YSP den ehemaligen CHP-Vorsitzenden Kemal Kılıçdaroğlu, den gemeinsamen Kandidaten der Allianz der Nation.
Gemeinsamer Kampf gegen Ein-Mann-Regime
Im Oktober wurde aus der ursprünglichen YSP die „Partei der Völker für Gleichberechtigung und Demokratie“ (kurz DEM, vormals HEDEP). Somit wurde die Grundlage für die Neugründung der YSP geschaffen. Ihr Grundsatzprogramm änderte sich damit aber nicht. „Wir werden erneut unsere Forderungen nach Demokratie, Gleichheit, Freiheit und Gerechtigkeit angesichts der Ungerechtigkeiten, der zentralistischen und autoritären Regierung in unserem Land erheben. Wir wollen diesen neuen Weg nicht allein, sondern gemeinsam mit allen Teilen der gesellschaftlichen Opposition gehen. Wir sehen die Organisation eines gemeinsamen Kampfes gegen das Ein-Mann-Regime als dringende Aufgabe an“, erklärte die Partei.
Lösung der kurdischen Frage, Recht auf Muttersprache und politische Autonomie
Die YSP tritt für eine pluralistische, partizipative, ökologische, demokratische und säkulare Verfassung ein. Ihre Parteiprogrammatik definiert drei „Grundwidersprüche“ in der Gesellschaft der Türkei: Der Widerspruch zwischen technologischem Fortschritt und der voranschreitenden Naturzerstörung; die zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich und der Widerspruch zwischen theoretisch zunehmenden Partizipationsmöglichkeiten und der aktuellen Ausgrenzung bestimmter Bevölkerungsgruppen. Die YSP kritisiert die Regierung von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan wegen ihres Autoritarismus, Militarismus und ihrer auf Krieg und Gewalt basierenden „Sicherheitspolitik“. Demgegenüber steht sie für eine friedliche Lösung der kurdischen Frage auf der Grundlage einer „gleichberechtigten Staatsbürgerschaft“. In diesem Zusammenhang fordert die YSP unter anderem das Recht auf Bildung in der Muttersprache für Kurdinnen und Kurden und eine politische Autonomie für die mehrheitlich kurdischen Provinzen. Darüber hinaus plädiert sie für eine kritische Auseinandersetzung der Geschichte der Türkei, darunter die Anerkennung der Massaker am armenischen Volk 1915 als Genozid.
Neue Ko-Sprecher:innen Didem Betül Göçer und Ahmet Asena
Diese Grundwidersprüche und Kritiken der YSP finden sich auch im aktuellen Parteiprogramm, das von einem 49-köpfigen Gründerrat erarbeitet wurde. Das Gremium wählte bei der Neugründung auch die Mitglieder des Zentralvorstands und des Disziplinarausschusses. Als neue Ko-Sprecher:innen der YSP wurden Didem Betül Göçer und Ahmet Asena ernannt.