Gericht lehnt Freilassung von Selahattin Demirtaş ab
Ein Gericht in Ankara hat den Haftentlassungsantrag des früheren HDP-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş ohne Nennung von Gründen abgelehnt und die Berufung nicht zugelassen.
Ein Gericht in Ankara hat den Haftentlassungsantrag des früheren HDP-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş ohne Nennung von Gründen abgelehnt und die Berufung nicht zugelassen.
Ein vom Verteidigungsteam des früheren Ko-Vorsitzenden der Demokratischen Partei der Völker (HDP), Selahattin Demirtaş, gestellter Antrag auf Haftentlassung wegen Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus ist von der 5. Strafabteilung des Amtsgerichts Ankara ohne Nennung von Gründen abgelehnt worden. „Eine vollkommen willkürlich getroffene Entscheidung ohne jegliche juristische Grundlage, für die das Gericht ganze zwei Wochen brauchte”, kritisierte Mahsuni Karaman, einer der Anwälte Demirtaşs.
Der Rechtsbeistand des kurdischen Politikers, der selbst Jurist ist, hatte in seinem Antrag argumentiert, dass das Leben des 46-Jährigen wegen unzureichenden Schutzmaßnahmen in Gefängnissen gegen die Pandemie in Gefahr gerate. Demirtaş leidet unter pulmonaler Hypertonie (Lungenhochdruck) und dem Schlafapnoe-Syndrom. Damit gehört er einer Risikogruppe für die neuartige Lungenkrankheit Covid-19 an. Nach Behördenangaben waren mehr als Zweidrittel der Corona-Todesopfer in der Türkei Bluthochdruck- oder Lungenhochdruckpatienten.
Indem das Amtsgericht in Ankara die Berufung trotz Vorliegens der Voraussetzungen nicht zulässt, vereitelt es die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Zuständigkeitsbereich des Berufungsgerichts. Nicht nur vor dem Hintergrund, dass die Nichtzulassung der Berufung nicht begründet wurde, erweist sich die Entscheidung, die offenbar im Zusammenhang mit einer zuvor von den Demirtaş-Anwälten beantragten Haftentlassung gefällt wurde, als Rechtsanwendungsfehler. Es zeichnet sich auch wieder einmal eine willkürliche Vernachlässigung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz durch die türkischen Justizbehörden ab.
Schwächeanfall in der Zelle
Selahattin Demirtaş ist im Zuge des politischen Vernichtungsfeldzugs gegen die kurdische Opposition in der Türkei im November 2016 mit zahlreichen weiteren Politiker*innen der HDP inhaftiert worden und wird seitdem im Hochsicherheitsgefängnis Edirne in der Westtürkei festgehalten. Ende November erlitt er in seiner Zelle einen Schwächeanfall und verlor das Bewusstsein. Erste-Hilfe-Maßnahmen führte damals sein Zellenkollege Abdullah Zeydan durch, der durch den Sturz des Politikers geweckt wurde und das Gefängnispersonal verständigte. Trotz ärztlicher Empfehlung wurde Demirtaş sieben Tage lang nicht ins Krankenhaus überstellt.
Auch Figen Yüksekdağ kommt nicht frei
Anfang April lehnte ein anderes Gericht in Ankara auch die Entlassung der ehemaligen HDP-Vorsitzenden Figen Yüksekdağ ab, die zeitgleich mit Demirtaş die genderparitätische Doppelspitze der HDP bekleidete. Ihre Anwälte hatten ebenfalls geltend gemacht, dass es für die Politikerin im Gefängnis keine Möglichkeiten gebe, sich vor der Pandemie zu schützen. Damit werde das Recht auf Leben verletzt, zudem sei Figen Yüksekdağ ausschließlich aufgrund ihrer legalen politischen Tätigkeit seit fast dreieinhalb Jahren in Haft. Das Gericht begründete die Ablehnung der Haftentlassung damit, dass kein konkreter Beweis für die Verletzung des Rechts auf Leben vorliege, da nicht erwiesen sei, ob sich die Viruserkrankung in der Vollzugsanstalt ausgebreitet sei.