Gericht lässt Anklage gegen Istanbuler CHP-Vorsitzende zu

Ein Gericht in Istanbul hat die Anklage der Generalstaatsanwaltschaft gegen die CHP-Politikerin Canan Kaftancıoğlu zugelassen. Der Prozess wegen „Aufstachelung zu einer Straftat“ auf Grundlage einer Anzeige des Verkehrsministers wird im Mai eröffnet.

Die 13. Strafkammer des Landgerichts Istanbul hat die Anklage der Generalstaatsanwaltschaft Istanbul gegen die CHP-Politikerin Canan Kaftancıoğlu wegen „Aufstachelung zu einer Straftat“ und „Lob einer Straftat und eines Straftäters“ zugelassen. Der Prozess gegen die 48-Jährige wird am 21. Mai eröffnet. Sollte Kaftancıoğlu verurteilt werden, droht ihr eine Freiheitsstrafe zwischen neun Monaten und zehneinhalb Jahren.

Canan Kaftancıoğlu ist die Vorsitzende der CHP in Istanbul. Hintergrund der Anklage gegen sie ist im Grunde Solidarität mit ihrem Parteikollegen Suat Özçağdaş, CHP-Vorsitzender im Istanbuler Bezirk Üsküdar. Özçağdaş hatte das Haus des türkischen Verkehrsministers Fahrettin Altun (AKP) fotografiert, um ungenehmigte Umbauten zu dokumentieren. Daraufhin wurde ein Verfahren gegen ihn wegen des Vorwurfs der Persönlichkeitsrechtsverletzung eingeleitet. Bezüglich der möglicherweise illegalen Anbauten des Hauses vom Minister wurde eine Nachrichtensperre verhängt. Über das Thema darf nicht berichtet werden.

Kaftancıoğlu hatte ihren Parteikollegen im Kurznachrichtendienst Twitter verteidigt und war in der Folge vom Anwalt Altuns angezeigt worden. Die Generalstaatsanwaltschaft beschuldigt sie, die Fotografien in Auftrag gegeben zu haben. Ein Ermittlungsverfahren mit denselben Tatvorwürfen war zunächst noch eingestellt worden. Daraufhin erwirkte der Rechtsbeistand des Verkehrsministers einen Wiederaufnahmebeschluss.

Haftstrafe unter anderem wegen Äußerung über Sakine Cansız

Die Politikerin und Ärztin Canan Kaftancıoğlu war im September 2019 bereits zu einer Haftstrafe in Höhe von knapp zehn Jahren verurteilt worden, im vergangenen Juni wurde das Urteil bestätigt. Die Anklage wegen Terrorvorwürfen, Volksverhetzung, Präsidentenbeleidigung, Beamtenbeleidigung und Verunglimpfung des Staats stützte sich auf Twitter-Nachrichten, darunter auch eine zu Sakine Cansız. Als die kurdische Revolutionärin am 9. Januar 2013 zusammen mit ihren Weggefährtinnen Fidan Doğan und Leyla Şaylemez von einem Auftragsmörder des türkischen Geheimdienst MIT in Paris hingerichtet wurde, schrieb Kaftancıoğlu: „Sakine Cansız sagte einmal: ‚Die Geschichte der Menschheit beginnt mit der Frau. Die Menschheit ist die Verliererin angesichts dessen, was Frauen angetan wird.‘ Und wieder hat die Menschheit verloren.“ Unter den acht Klägern war auch Präsident Recep Tayyip Erdoğan.