Gedenken an ermordeten Studenten Şerzan Kurt

In Muğla ist Şerzan Kurt gedacht worden. Der kurdische Student war am 12. Mai 2010 bei Protesten gegen die Festnahme mehrerer Kommilitonen, die Opfer eines rassistischen Lynchmobs geworden waren, von Polizeikugeln getroffen worden.

Auf Aufruf des Bündnisses „Kräfte für Arbeit und Demokratie“ ist in Muğla im Südwesten der Türkei an Şerzan Kurt erinnert worden. Anlass der Gedenkveranstaltung war der dreizehnte Jahrestag des Angriffs auf den 21 Jahre alten Kurden aus Êlih (tr. Batman). Kurt wurde am 12. Mai 2010 bei einem Protest gegen die Festnahme von einer Gruppe kurdischer Studierender, die Opfer eines rassistischen Lynchmobs geworden waren, von mehreren Polizeikugeln getroffen. Er war bereits hirntot, als er kurz darauf im Krankenhaus ankam. Endgültig für tot erklärt wurde er genau eine Woche nach dem Angriff.

An der Zusammenkunft in der Innenstadt von Muğla beteiligten sich unter anderem Mitglieder der Parteien YSP, HDP, SYKP und EMEP, der Gewerkschaftskonföderation DISK sowie Aktive von Frauen- und Studierendenorganisationen. Nach einer Schweigeminute hielt Nurullah Yıldız, der zusammen mit Şerzan Kurt an der örtlichen Sıtkı-Koçman-Universität Betriebswirtschaft studierte, eine Ansprache. Darin schilderte er die Vorfälle, die in den Tod seines Kommilitonen mündeten.


Am Abend des 12. Mai 2010 waren fünf kurdische Studierende – drei Männer und zwei Frauen – auf dem Nachhauseweg von mehreren Personen auf der Bar-Meile von Muğla angepöbelt worden. Die Gruppe gehörte zum Umfeld der organisierten Kriminalität und erpresste Gewerbetreibende um Schutzgeld. Den Pöbeleien des Mobs folgten Drohungen, Übergriffe und schließlich eine Hetzjagd. Weitere kurdische Studierende, die von dem Vorfall erfuhren, kamen hinzu. Als mobile Polizeieinheiten sich in das Geschehen einmischten, wurden zwölf kurdische und linke Studentinnen und Studenten festgenommen. Die Angreifer, die sich in der Zwischenzeit als Faschisten zu erkennen gegeben hatten, wurden nicht in Gewahrsam genommen.


Eine andere Gruppe von Studierenden, die sich in einem Park unweit eines Polizeireviers versammelten, um gegen die Attacke und die Festnahme der Opfer des Lynchversuchs zu protestieren, wurden von der Polizei zunächst eingekesselt. Nach einer Weile wurden sie angewiesen, nach Hause zu gehen. Dieser Anforderung wurde von Seiten der Studierenden nachgekommen und sie entfernten sich in Kleingruppen. Der Polizist Gültekin Şahin wies sie an, die Straße vorbei an der Sicherheitsdirektion zu benutzen, da sie dort sicherer seien. Kurz darauf wurden die Gruppe dort von dem Mob angegriffen. Daraufhin sammelten sich die Studierenden erneut in einem Park und es kam zu Ausschreitungen zwischen Polizisten und Protestierenden. Die Beamten setzten Pfefferspray ein, um den Protest aufzulösen. Şerzan Kurt wurde von zwei Kugeln in beide Schultern getroffen und brach zusammen. Der Schütze war Gültekin Şahin. Er behauptete, er habe lediglich Warnschüsse in die Luft abgegeben. Ein Gutachten widerlegte dies und bestätigte, dass er gezielt auf die Menschenmenge geschossen hatte.


„Doch wie so oft war auch beim Mord an Şerzan Kurt die Politik der Straflosigkeit im Spiel. Der türkische Staat hielt seine schützende Hand über seinem Polizisten“, sagte Yıldız und gab einen kurzen Umriss über das Prozessgeschehen um den Tod von Şerzan Kurt. Gültekin Şahin war zunächst zu lebenslanger Haft unter erschwerten Bedingungen verurteilt worden, doch die Strafe wurde wegen guter Führung auf acht Jahre reduziert – der seit zweieinhalb Jahren gültige Haftbefehl wurde im September 2012 aufgehoben. Im Berufungsverfahren erhielt Gültekin Şahin 2015 erneut eine lebenslange Freiheitsstrafe, die diesmal auf 16 Jahre reduziert wurde. Im Revisionsverfahren gab es für den Polizisten 2019 dann nur noch siebeneinhalb Jahre Haft. Die Verfassungsbeschwerde gegen dieses Urteil ist weiter anhängig.

Fotos: MA