„Für eine Lösung müssen wir diese Regierung absetzen“

Der Ko-Vorsitzende der DEM-Partei, Tuncer Bakırhan, erklärte vor Arbeiter:innen in Mersin: „Die einzige Lösung ist es, diese Regierung abzusetzen.“

„Nicht allein die Wirtschaft ist am Ende"

Die DEM-Partei führt im Moment eine Kampagne unter dem Titel „Brot und Gerechtigkeit“ in der Türkei durch. Der Ko-Vorsitzende der DEM-Partei, Tuncer Bakırhan, besuchte in diesem Rahmen Arbeiter:innen einer Fischereikooperative in Karaduvar in der Provinz Mersin und sprach mit ihnen über ihre Probleme und Nöte.

Verschmutzung mit Industrieabwässern gefährdet Fischerei

Die Fischer erklärten, dass die Abfälle der Fabriken im Karaduvar-Gebiet das Meer verschmutzten und diese Verschmutzung die Fischerei beeinträchtige. Sie gaben an, dass sie vom Staat nicht die nötige Unterstützung erhielten und keine Kredite bekämen und forderten eine Lösung. Bakırhan sagte, dass die Fischer für eine Lösung kämpfen müssen und meinte: „Die Lösung für die Probleme aller Teile der Gesellschaft besteht darin, diese Regierung abzusetzen.“ Bakırhan kam auch mit Landwirt:innen in den Treibhäusern bei Kazanlı zusammen. Sie beklagten sich über die hohen Kosten und sagten, dass sie nicht kostendeckend produzieren könnten und Verluste machten. Die Bauern betonten, dass sie aufgrund der Agrarpolitik der Regierung nicht in der Lage seien zu produzieren.

Bakırhan hörte sich die Probleme der Landwirt:innen an und sagte: „Die Stadtverwaltungen sind nicht die Stadtverwaltungen der DEM-Partei, sie sind eure Verwaltungen, sie sind die des Volkes.“ Bakırhan wies aber auch darauf hin, dass die Stadtverwaltungen der DEM-Partei nicht über die Mittel verfügen, um alle Forderungen zu erfüllen. Durch die Zwangsverwalter und die AKP-Stadtverwaltungen seien die Kommunen ausgeplündert und in tiefe Schulden gestürzt worden, während „Kapitalisten und Kumpanen der AKP“ sich bereichert hätten. Gleichzeitig sei die landwirtschaftliche Produktion und Fischerei durch Billigimporte durch AKP-nahe Firmen an den Rand des Ruins getrieben worden. Er berichtete, dass die Bauern in Serhat sogar das Heu für ihr Vieh importieren müssten. Aufgrund der militärischen Sperrgebiete können sie ihr Vieh nicht weiden lassen und kein Gras mähen: „Es ist ein Land, das ein Zentrum für Landwirtschaft, Viehzucht und Tourismus sein sollte. Wie die Menschen in unseren Städten in Serhat sagen, ist es jetzt so, dass sogar das Heu importiert wird, ganz zu schweigen von Kartoffeln. Es ist wirklich so, dass die Landwirte, die in Rêşqelas (Iğdır), Qers (Kars) und Agirî (Ağrı) Viehzucht betreiben, von Zeit zu Zeit Heu aus dem Irak und Iran kaufen müssen. Es ist unglaublich, wohin die AKP das Land in den vergangenen 22 Jahren getrieben hat.“

Nicht nur die Ökonomie, auch die Demokratie ist zerstört

Der Vertreter der DEM-Partei wies auch auf die politische Zerstörung hin und sagte: „Nicht allein die Wirtschaft ist am Ende, genauso steht es auch mit den Freiheiten. Unsere arabisch-alawitischen Freunde sind hier. Wir haben intensive Kontakte mit ihnen. Sogar unser Ko-Vorsitzender ist ein arabischer Alawit, er ist einer von ihnen, ihr Bruder, ihr Genosse. Das Regime hat es hier geschafft, dass nicht nur die Wirtschaft, sondern auch der Glaube, die Sprache, die Kultur zum Schweigen gebracht und Personen, die im Parlament zwei Worte ihrer Muttersprache sprechen, mundtot gemacht werden. Das gilt nicht nur für Kurdisch, sondern auch Arabisch. Man bringt Menschen auch zum Schweigen, die aramäisch sprechen, sie nennen es eine unbekannte Sprache.“ Bakırhan wies darauf hin, dass die Türkei entscheidende Verantwortung für den Krieg in Syrien hat und sich durch das Anheizen dieser Konflikte Machtzugewinn verspreche.

„Wir waren gerade in Karaduvar und haben dort mit den Fischern gesprochen“, berichtete er über die Klagen der Fischer. „Sie haben erklärt, dass sie ihre Garnelen wegwerfen müssten, da es keine Kühlhäuser gebe. Ansonsten müssten sie diese zu Billigstpreisen verkaufen." Die Fischer seien nicht mehr konkurrenzfähig, da Garnelen aus dem Fernen Osten, Vietnam und China importiert würden.

Die Regierung will, dass wir alle zu Billigarbeitskräften werden“

Bakırhan fuhr fort: „Ich komme selbst aus Qers, meine Familie betreibt Viehzucht. Die meisten Menschen dort leben von der Viehhaltung. Das ist ohnehin sehr schwierig, da sechs Monate im Jahr Schnee liegt. Aber dann wird auch noch Rindfleisch aus Argentinien und Brasilien importiert. Nicht, weil es sehr billig ist. Sie wollen, dass ein paar AKP-Firmen gewinnen und die Produzenten in der Region pleitegehen. Ziel ist, dass die Landwirtschaft erliegt und die Menschen in die Metropolen abwandern. Die Menschen sollen von der Produktion abgeschnitten werden. Die AKP macht das bewusst. Glauben Sie mir, jeder Schritt, den sie tut, jedes Wort, das sie spricht, geschieht bewusst. Sie will die Gesellschaft der Türkei, die Menschen der Türkei von der Produktion abkoppeln. Da sie eine kapitalfreundliche Regierung ist, will sie, dass wir alle zu billigen Arbeitskräften für das Kapital werden.“

Wir sind verantwortlich für diese Situation“

Der Politiker übte Selbstkritik und sagte: „Ich denke, wir sind an dieser Situation mitschuldig, die politische Institutionen, die Opposition. Das ist der Grund, warum sich die Bauern und Arbeiter nicht zu einer gemeinsamen Kampfeinheit zusammengefunden haben; das ist der Grund, warum diese Regierung so schlecht regiert. Wir werden für uns selbst Lehren daraus ziehen.“ Er kritisierte das Regime deutlich: „Wir sind seit Tagen durch die ganze Türkei gereist. Was sagt die Regierung? Sie sagt, sie hätte ihr Weltraumprogramm beschleunigt. Lasst uns stattdessen Kartoffeln produzieren. Lasst die Bauern Tomaten produzieren. Kümmern wir uns um die Erzeuger, machen wir geeignete Projekte für sie. Ihr könnt eurer Weltraumprogramm beschleunigen wie euren Justizpalast. Wir haben es mit einer politisch- islamistischen Denkweise zu tun, die vollständig auf Lügen, Manipulation und Täuschung beruht.“

Wir sind bereit zum Handeln“

In Bezug auf den Wahlsieg der DEM-Partei bei den Kommunalwahlen machte Bakirhan klar: „Bei den Kommunalwahlen hat sich ein Wille gezeigt, und wir sind es uns schuldig, diesen Willen zu stärken. Düngemittel, Diesel, Transportkosten und all die anderen Kosten; aber es ist schwierig, diese Probleme einzeln zu lösen. Es gibt nur eine Lösung: Die Regierung absetzen. Seid ihr bereit, sie abzusetzen? Seid ihr bereit, gemeinsam zu handeln? Wir sind es, das versprechen wir euch.

Wir werden im Rahmen dieser Versammlungen für Brot und Gerechtigkeit unser Bestes tun, um die Vorschläge und Forderungen, die wir von euch erhalten haben, sowohl im Parlament als auch in unseren lokalen Verwaltungen lösen. In den 22 Jahren der AKP-Herrschaft ist das Land zu einer Weide für die Reichen geworden. Sie fordern von uns Geduld. Wir werden nicht geduldig sein, es sind die Kapitalisten der AKP, die geduldig sein müssen, nicht die Unterdrückten und diejenigen, die Nahrung und Brot suchen müssen. Ich glaube, dass wir eines Tages definitiv eine Türkei schaffen werden, in der die Landwirtschaft, die Arbeiter und Armen für das, was sie produzieren, bezahlt werden, in der das arabisch-alawitisches Volk seinen Glauben gleichberechtigt leben kann, in der es das, was es produziert, zu einem gerechten Preis verkauft. Bei dieser Gelegenheit sende ich euch allen meine Grüße und Liebe im Namen meiner Partei dafür, dass ihr hierhergekommen seid. Das ist eine Ehre für uns. Ich wünsche euch allen Erfolg.“

Die Treffen mit den Arbeiter:innen von Mersin werden weiter fortgesetzt.