Freispruch für Anti-Abschiebeaktivistin in Bayern

In Erding ist eine Aktivistin freigesprochen worden, der die Verhinderung einer Abschiebung im vergangenen Jahr am Münchner Flughafen vorgeworfen wurde. Im Gerichtsgebäude herrschten hohe Sicherheitsvorkehrungen.

Vor dem Amtsgericht Erding endete gestern der Prozess gegen eine Aktivistin, der vorgeworfen wurde, durch das Verteilen von Flugblättern am Gate des Münchner Flughafens die Abschiebung des kurdischen Aktivisten Ramazan A. verhindert zu haben. Zahlreiche Medien berichteten im Herbst 2018 über die gescheiterten Abschiebeversuche.

Vor Beginn des Prozesses wurde das verträumte Kleinstadtidyll Erding lautstark durch eine spontane Demonstration gegen 14 Uhr mit Parolen gegen Abschiebungen begrüßt. Die Aktivist*innen waren aus Nürnberg und München angereist, um ihre Solidarität auszudrücken. Bei der anschließenden Kundgebung vor dem Amtsgericht, zu der neben Presse auch Einwohner aus Erding erschienen, wurde über den bevorstehenden Prozess und die absurden Vorwürfe der Staatsanwaltschaft informiert. Das Solidaritätskomitee betonte in seiner Rede: „Alle, die dem bayrischen Abschiebewahnsinn selbst nur argumentativ etwas entgegensetzen wollen, sitzen heute auf der Anklagebank.“

In einem verlesenen Grußwort von Ramazan A. – mittlerweile nach Bulgarien abgeschoben – bedankte sich der Aktivist für die Unterstützung, die „etwas ganz besonderes“ war. Ihm war die Haltung der Bundesrepublik zum kurdischen Volk bereits vor Beginn seiner Flucht bekannt und sieht diese nun leider bestätigt.

Solidarität heißt Widerstand

Um nach der Kundgebung in den Gerichtssaal zu kommen, mussten die Prozessbeobachter*innen durch einen Metalldetektor, wurden von Justizbeamten durchsucht und mussten nochmals durch einen zweiten „Kontrollpunkt mit verschärften Kontrollen“ vor dem Gerichtssaal. Die Maßnahmen wurden durch den Richter erlassen, mit der Begründung, im Internet gebe es einen Aufruf zur Prozessbeobachtung mit der Losung „Solidarität heißt Widerstand“. Die außergewöhnlichen Sicherheitsvorkehrungen am Amtsgericht Erding verblüfften auch die Einwohner, die ihr Gericht so noch nicht erlebt hatten.

Das Verfahren begann daher mit dreißig Minuten Verspätung. Zu Beginn verlas die Angeklagte eine Prozesserklärung. Darin räumte sie ein, Flugblätter im Flughafen verteilt zu haben. Gleichzeitig kritisierte sie die Abschiebungen nach Bulgarien, Kettenabschiebungen in die Türkei und die Unterdrückung von Kurd*innen durch den türkischen Staat. Sie stellte die provokante Frage an das Gericht: „In welcher Welt soll es strafbar sein, auf Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit aufmerksam zu machen? Die Antwort ist so traurig wie ihre Realität: in unserer. In einer Welt, in der Fluchtursachen geschaffen und Geflüchtete bekämpft werden, in der reaktionäre und rechte Hetze die Praxis in den Ämtern bestimmt, in der Schutzsuchende zurück in Krieg, Hunger, Folter und Tod abgeschoben werden, in der Menschen obdachlos sind und zwei Jobs nicht reichen, um die eigene Existenz zu sichern. In einer Welt, in der Rüstungsgüter in Kriegsgebiete exportiert werden... Ich bin nicht einverstanden mit dieser Welt! Und solange sie so existiert, werde ich für Veränderung kämpfen. Ich werde solange kämpfen, bis niemand mehr Ungerechtigkeit und Diskriminierung ausgesetzt ist!“

Den darauf folgenden begeisterten Jubel der Zuschauer*innen im Gerichtssaal versuchte der Richter mit einem cholerischen Ausfall zu beenden – jedoch ohne Erfolg.

Wichtigster Zeuge im Prozess war der Pilot, der damals aufgrund der Flyer, der Aussagen des Abzuschiebenden und der Gesamtsituation am Flughafen beschloss, die Abschiebung nicht durchzuführen. Der Richter sah sich jedoch gezwungen, den Ausführungen des Rechtsanwalts der Angeklagten, Mathes Breuer, zu folgen: Da Ramazan A. in Abschiebehaft war, konnte er sich nicht wegen illegalem Aufenthalt strafbar gemacht haben. Daher kann es auch keine Beihilfe zu diesem geben und damit als einzige Möglichkeit nur der Freispruch für die Angeklagte übrig bleiben. Offensichtlich unzufrieden damit ermunterte der Richter die Staatsanwaltschaft, weitere Rechtsmittel einzulegen und das Urteil von einer höheren Instanz prüfen zu lassen.