Frankfurt: Eröffnung des §129b-Prozesses gegen Ali Ö.

Gegen den kurdischen Aktivisten Ali Ö. beginnt am Montag vor dem 8. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt/M der §129b-Prozess. Der 55-Jährige befindet sich seit seiner Festnahme am 24. Mai 2022 unter verschärften Bedingungen in Untersuchungshaft.

Vor dem 8. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main wird am 24. April das Staatsschutzverfahren gegen den kurdischen Aktivisten Ali Ö. eröffnet. Das teilt der in Köln ansässige Rechtshilfefonds AZADÎ e.V. mit. Der 55-jährige Kurde befindet sich seit seiner Festnahme am 24. Mai 2022 unter verschärften Bedingungen in Untersuchungshaft in der JVA Frankfurt am Main.

Die Generalstaatsanwaltschaft beschuldigt Ali Ö. alias „Dijwar“, als Mitglied in der ausländischen „terroristischen“ Vereinigung PKK eine „Kader“-Tätigkeit ausgeübt zu haben. So soll er seit Mitte Juli 2019 bis zu seiner Festnahme für die politische und organisatorische Betreuung der Gebiete „Gießen“, später „Kassel“ und „Erfurt“ verantwortlich gewesen sein. Dabei habe er Versammlungen durchgeführt, die Arbeit von Aktivist:innen koordiniert oder zur Teilnahme an Festivals oder anderen Großveranstaltungen mobilisiert, Nachwuchs angeworben und Spendengeldkampagnen überwacht. Eine individuelle Straftat wird ihm nicht vorgeworfen.

Die Legitimierung zur strafrechtlichen Verfolgung und Durchführung dieses politisch motivierten Verfahrens hat das Bundesjustizministerium mit der Ermächtigung vom 6. September 2011 erteilt (§129b Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 StGB).

Wie in allen 129a/b-Verfahren üblich basiert die Anklage auf „Erkenntnissen“ aus Durchsuchungen und hierbei beschlagnahmten Unterlagen, aus der Fahrzeuginnenraumüberwachung, der Observierung eines bestimmten Personenkreises sowie einer umfassenden Kontrolle der Telekommunikation.

Weil er in der Türkei staatlicher Repression ausgesetzt war, ist Ali Ö. Ende 1994 nach Deutschland exiliert und hat hier politisches Asyl beantragt, das jedoch abgelehnt wurde. In den Folgejahren erhielt der Kurde regelmäßig Aufenthaltstitel in Form von Duldungen.

Seit der Vater von sechs Kindern in Deutschland lebt, hat er sich für den gerechten Kampf der Kurdinnen und Kurden um Befreiung, gegen Kolonialisierung, für Frieden, Demokratie und Selbstbestimmung politisch eingesetzt. Dass dieses Engagement für den Kurden auch hier angesichts der staatlichen Kriminalisierungspolitik gegenüber der kurdischen Bewegung folgenreich war, hat er schmerzlich erleben müssen: Verurteilung wegen Mitgliedschaft in einer „kriminellen“ Vereinigung (§129 StGB), Bewährungsstrafe wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz und im Oktober 2016 Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten nach §129a/b StGB. Dieses systematisch als „Terrorismus“ kriminalisierte politische Engagement wird mit diesem Verfahren fortgeführt in dem Bestreben, die politische Identität und Gesinnung des Angeklagten zu brechen. Ob dieses Ziel aber erreicht wird, dürfte mehr als fraglich sein.

AZADÎ ruft dazu auf, den Prozess gegen Ali Ö. zu besuchen und auf diese Weise Öffentlichkeit herzustellen für ein Verfahren, dem handfeste wirtschaftliche, geostrategische und NATO- Interessen zugrunde liegen. Den politischen Charakter aller 129b-Verfahren macht alleine schon die Ermächtigung des Bundesjustizministeriums zur strafrechtlichen Verfolgung deutlich, die im Einvernehmen mit anderen Bundesministerien und des Kanzleramtes erteilt wird.

Der Prozess beginnt am Montag, 24. April, um 9.30 Uhr im Sitzungssaal 7 im Gerichtsgebäude E des OLG, Konrad-Adenauer Str. 20 in Frankfurt/M. Das Verfahren wird am Freitag, 28. April, um 9.30 Uhr im Saal 1 in Gebäude C fortgesetzt.