Politischer Vernichtungsfeldzug: Dutzende Festnahmen in der Türkei

Der politische Vernichtungsfeldzug gegen die kurdisch-demokratische Opposition in der Türkei ist mit Razzien in zehn Provinzen fortgesetzt worden. Dutzende Oppositionelle sind in Gewahrsam, darunter Journalist:innen, Politiker:innen und Aktivist:innen.

Razzien in zehn Provinzen

Das AKP/MHP-Regime in der Türkei setzt die Operationen zur Ausschaltung der kurdischen und demokratischen Opposition fort. In mindestens zehn Provinzen des Landes fanden am Freitag politische Razzien statt, dutzende Personen wurden festgenommen. Die Zahl der namentlich bekannten Betroffenen liegt laut Angaben von Anwaltskammern aktuell bei über 60. Unter den Festgenommenen befinden sich kurdische Medienschaffende, Lokalpolitiker:innen, Aktivist:innen, Menschenrechtler:innen, Gewerkschafter:innen und Personen aus der Filmbranche.

Im kurdischen Amed (tr. Diyarbakır) nahm die Polizei mit Cengiz Dündar unter anderem den Ko-Bürgermeister des von der DEM regierten Bezirks Payas (Kayapınar) fest. Ebenfalls in Gewahrsam befinden sich die Journalistin und Präsidentin der Plattform der Journalistinnen Mesopotamiens (MKGP), Roza Metina, der Journalist Ahmet Sümbül, der Regisseur Ardin Diren, das DEM-Mitglied Siyabend Demir, der auch Bezirksverordneter im zentralen Stadtteil Bajarê Nû (Yenişehir) ist, der Comic-Künstler Doğan Güzel, der Dichter Hicri Izgören sowie Bawer Yoldaş, der als Koordinator für die kurdische Buchhandlung Pirtûka Kurdî arbeitet. Die Polizei nannte „Terrorismusverdacht“ als Grund, weitere Informationen lagen zunächst nicht vor.

In der westtürkischen Metropole Istanbul wurden mindestens 16 Menschen in Gewahrsam genommen. Grund sei ein von der Staatsanwaltschaft im zentralanatolischen Eskişehir ebenfalls unter dem Label „Terrorismus“ geführtes Ermittlungsverfahren, wie die Juristenvereinigung ÖHD erfuhr. Bei den Festgenommenen handelt es sich unter anderem um die Journalist:innen Erdoğan Alayumat und Bilge Aksu, die Mitbegründerin des Menschenrechtsvereins IHD, Nimet Tanrıkulu, sowie Sevtap Akdağ vom Vorstand der Arbeitskommission der DEM-Partei.

In Çanakkale im Nordwesten der Türkei befinden sich nach Angaben des örtlichen DEM-Verbands mindestens 15 Menschen in Polizeihaft, darunter elf Mitglieder des Jugendrats der Partei, der Ko-Vorsitzende des Kreisverbands in Gökçeada, Bedirhan Şeker, sowie Savaş Sarıbulak vom Ortsvorstand. In Mersin, Adana und Izmir gab es zwölf Festnahmen, betroffen davon ist auch der lokale Vorsitzende des Gewerkschaftsbunds DISK im Landkreis Akdeniz, der zu Mersin gehört und von der DEM regiert wird. In Adana wurde der Rechtsanwalt Şiar Rişvanoğlu festgenommen.

In den seit Anfang November zwangsverwalteten kurdischen Provinzen Êlih (Batman) und Mêrdîn (Mardin) gab es nach bisherigem Stand zehn Festnahmen. Unter den Betroffenen sind ein 17-jähriger Jugendlicher sowie der Journalist Mehmet Uçar. Der Vorgang soll im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen Teilnehmende der Proteste gegen die Absetzung der gewählten Bürgermeister:innen stehen.

Weitere Festnahmen fanden in den kurdischen Provinzen Şirnex (Şırnak), Riha (Urfa) und Dersim (Tunceli) statt. In Riha befindet sich mit Ulaş Çoban der frühere Ko-Vorsitzende des Kreisverbands der DEM in Pira Reş (Karaköprü) in Gewahrsam, in Dersim wurde unter anderem ein Mitglied der Gesundheitsgewerkschaft SES, Enes Boran, festgenommen. Aus Şirnex wurden dutzende Festnahmen gemeldet, die genaue Zahl ist unklar. Der ÖHD und die städtischen Anwaltskammern befürchten, dass die Festnahmen im Verlauf des Tages weiter steigen könnten.