FAU, Linke, EG und KON-MED verurteilen Ausreiseverbote

Während die Bundespolizei 17 Personen die Ausreise in den Irak verboten hat, sitzen Dutzende Delegierte der Friedensinitiative #Delegation4Peace im Flughafen in Hewlêr fest und sollen abgeschoben werden.

Die basisdemokratische Gewerkschaft FAU, die Hamburger Linksfraktion, das Aktionsbündnis Ende Gelände und der kurdische Dachverband KON-MED verurteilen das Ausreiseverbot von 17 Delegierten der Friedensinitiative #Delegation4Peace von Düsseldorf nach Hewlêr (Erbil) in Südkurdistan. In der Begründung der Ausreiseverbotsverfügung erklärt die Bundespolizei, dass die Delegation das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland schädigen könnte.

Unterdessen sitzen zurzeit etwa 25 Personen aus Deutschland, der Schweiz, Slowenien, Italien und anderen Ländern im Flughafen in Hewlêr fest und dürfen nicht einreisen. Es wird davon ausgegangen, dass die Betroffenen ab heute Nacht abgeschoben werden. Ein Teil der Friedensdelegation befindet sich jedoch bereits in Südkurdistan, darunter der Berliner Linkspolitiker Hakan Taş. 

FAU: Deutschland muss endlich aufhören, das Erdogan-Regime zu unterstützen!

Die FAU teilt dazu mit: „Aktuell besucht eine internationale Delegation, an der sich auch Mitglieder der FAU beteiligen, die Autonome Region Kurdistan im Nordirak, um gegen die anhaltenden Militärschläge und Provokationen der türkischen Regierung und die Zerstörung der ezidischen Selbstverwaltung zu protestieren. Sowohl die Erdogan-nahe Lokalregierung als auch die deutsche Bundespolizei versuchen nun die Delegation zu behindern: In den vergangenen Tagen sind mehrere Dutzend Delegationsmitglieder aus mindestens sechs Ländern von den lokalen Behörden an der Einreise gehindert und umgehend abgeschoben worden. In Deutschland kam es jetzt zu Ausreiseverboten. Inzwischen gibt es laut Delegierten vor Ort die ersten Abschiebungen von unter anderen deutschen Staatsbürger:innen aus dem Irak, sowie Festsetzungen von gerade im Irak Gelandeten. Dazu Pressesprecherin Milly Mayer: ,Scheinbar hat das jede zu erwarten, die sich ein Bild über die Lage vor Ort verschaffen oder demokratische Mittel des Protests nutzen will. Deutschland muss endlich aufhören, das Erdogan-Regime zu unterstützen!'

Die Bundesregierung gibt der Türkei mit solchen Maßnahmen ein weiteres mal Rückendeckung für Militäreinsätze in Irak/Kurdistan. Die Vertreibung lokaler Bevölkerung, das Abbrennen von Wäldern und die Zerschlagung von basisdemokratischen Strukturen wird dabei billigend in Kauf genommen.

Die basisdemokratische Gewerkschaft FAU verurteilt diese Haltung und ruft alle Lohnabhängigen und Gewerkschaften zur Solidarität mit den internationalen Delegierten und gegen die türkische Besatzung auf.

Hamburger Linksfraktion: Freiheitsberaubung im Dienste Erdogans

Die Fraktion der Partei DIE LINKE in der Hamburgischen Linksfraktion erklärte: „Unsere Fraktionsvorsitzende Cansu Özdemir wurde heute morgen mehrere Stunden lang am Düsseldorfer Flughafen von der Bundespolizei festgehalten und an der Weiterreise gehindert - zusammen mit einer Delegation, die auf dem Weg nach Erbil im Nordirak war. Die Begründung: Angeblich hätten PKK-nahe Vereine zur Einreise ,menschlicher Schutzschilder' in die kurdischen Gebiete aufgerufen. Eine Weiterreise der Gruppe könnte ,die Beziehungen zur Türkei negativ belasten'.“

Sabine Boeddinghaus, die zusammen mit Cansu Özdemir die Doppelspitze der Hamburger Linksfraktion bildet, forderte Konsequenzen: „Wir sind fassungslos darüber, dass deutsche Sicherheitsbehörden eine politische Delegation mit gewählten Abgeordneten wie Schwerkriminelle behandeln und an der Ausreise hindern – ohne nachvollziehbare Rechtsgrundlage. Wir fordern die sofortige Freilassung aller Beteiligten! Diese Freiheitsberaubung im Dienste Erdogans muss aufgeklärt werden und Konsequenzen haben!“

Ende Gelände: Vor Ort in Südkurdistan

Auch das Aktionsbündnis Ende Gelände ist an der Friedensdelegation beteiligt und erklärt: „Seit sechs Wochen greift die türkische Armee Südkurdistan an. Um für Frieden und gegen die türkische
Expansionspolitik einzustehen, sind wir mit einer Friedensdelegation nach Südkurdistan gereist. Heute sollte eine Gruppe nachkommen, darunter auch eine weitere Aktivistin von EG. Diese Gruppe wurde heute am Flughafen Düsseldorf von der deutschen Bundespolizei an der Weiterreise gehindert.“

Vera Figner teilt dazu mit: „Ich war heute als Ende-Gelände-Aktivistin auf dem Weg nach Erbil in Südkurdistan, um dort meine Solidarität mit dem Aufbau des demokratischen kurdischen Projekts zu zeigen und die Auswirkungen der Angriffe durch das türkische Militär in der Region zu beobachten und zu dokumentieren. Schon bei der Gepäckaufgabe haben uns Beamte in zivil beobachtet und ohne unsere Zustimmung fotografiert. Nach der Passkontrolle wurden wir dann festgesetzt, über Stunden aufgehalten, an der Ausreise gehindert und bekamen vierwöchige Ausreiseverbote in den Irak. Damit stärkt der deutsche Staat Erdogans Angriffen den Rücken, bei denen auch deutsche Waffen zum Einsatz kommen. Die Polizei verhindert aktiv die Aufklärung und Berichterstattung über die Lage."

Ende Gelände weist darauf hin, dass Erdogan einen breiten Expansionskrieg führt: „Besonders betroffen davon sind die kurdischen Gebiete im Osten der Türkei (Nordkurdistan/Bakur), Nordostsyrien (Westkurdistan/Rojava) und aktuell auch im Nordirak (Südkurdistan/Bashur). In Südkurdistan besetzt die Türkei momentan Gebiete, geht mit hoher Aggression vor Ort vor und setzt dabei sogar Giftgas ein. Der Einsatz der türkischen Armee verstößt gegen das Völkerrecht.“

Sina Reisch von Ende Gelände hält sich zurzeit in Südkurdistan auf und erklärt: „Die Angriffe der Türkei richten sich klar gegen die demokratischen Projekte der Kurd:innen, welche eine der wichtigsten demokratischen Kräfte für ein pluralistisches, friedliches Zusammenleben der Region und weltweit sind. Indem die deutsche Regierung den NATO-Partner Türkei unterstützt, kooperiert sie mit einem faschistischen und islamistischen Regime. Wir sind stattdessen vor Ort, um die demokratischen Kräfte zu unterstützen, und stehen solidarisch mit der Bevölkerung, die unter dem Krieg leidet."

KON-MED: Deutschland erklärt Beteiligung am türkischen Krieg

Der kurdische Verband KON-MED, der als bundesweite Dachorganisation von lokalen Räten, Vereinen und Institutionen fungiert, erklärte, dass die Bundesregierung heute ein weiteres Mal offenbart habe, sich am „Völkermordkrieg des faschistischen türkischen Staates in Kurdistan“ zu beteiligen. Die Begründung der Ausreiseverbotsverfügung widerspreche sowohl internationalem als auch deutschem Recht. In der Verfügung der Bundespolizei hieß es, dass „PKK-nahe kurdische Vereine im Zusammenhang mit dem derzeitigen bewaffneten Konflikt der PKK mit den türkischen Sicherheitskräften eine Aktion ,menschliches Schutzschild' gestartet haben“. Dazu erklärt KON-MED, dass die besagten kurdischen Vereine gemäß der deutschen Gesetzgebung „auf demokratischer und friedlicher Grundlage arbeiten. KON-MED ist die Dachorganisation kurdischer Institutionen in Deutschland und agiert unabhängig von anderen Organisationen oder Parteien.“

Weiter heißt es in der Stellungnahme von KON-MED: „Die Bundesregierung finanziert seit Jahren die Politik der Massaker in Kurdistan und hat jetzt ein weiteres Mal gezeigt, dass sie an der Seite des faschistischen türkischen Staates und seines Repräsentanten und Diktator Erdogan steht. So wie der AKP/MHP-Faschismus in der Türkei keine alternativen Gedanken und Demokratie zulässt und gewählte Abgeordnete, Bürgermeister:innen und zivilgesellschaftliche Organisationen angreift, hat die Bundesregierung heute auf gleiche Weise die Arbeit einer Friedensdelegation verhindert, in der ebenfalls gewählte Abgeordnete vertreten waren. Sie hat ein weiteres Mal offen deklariert, dass sie auf der Seite des faschistischen Regimes der Türkei steht und den auf einen Genozid am kurdischen Volk ausgerichteten Krieg des türkischen Staates unterstützt.

Die vorgelegte Begründung dient leider nicht dem Frieden, sondern dem Krieg. Das müssen die Bundesregierung und die gesamte Öffentlichkeit in Deutschland sehen. Mit den von der Bundesregierung gelieferten Waffen werden kurdische Dörfer und Berge bombardiert und die uralte Natur Mesopotamiens zerstört.“

KON-MED ruft das kurdische Volk zum verstärkten Kampf für Frieden auf und appelliert an die Öffentlichkeit, zivilgesellschaftliche Organisationen und politische Parteien in Deutschland, sich gemeinsam gegen Faschismus und Diktatur für Frieden und Demokratie einzusetzen.