„Familien für den Frieden“ besorgt über Angriffe gegen Rojava

„Die Transformation der Region zu einer demokratischen, multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft ist eine permanente Provokation für die autoritäre türkische Regierung“, erklären die Familien für den Frieden zu den Angriffen gegen Rojava.

Der Kasseler Verein „Familien für den Frieden e.V.“ ist besorgt über die Angriffe der letzten Tage gegen Nord- und Ostsyrien. Seit rund einer Woche fallen Bomben aus türkischen Drohnen und Kampfflugzeugen auf die Bevölkerung im nordöstlichen Syrien, mindestens 47 Menschen wurden bereits getötet, darunter mehrere Kinder. Das Erdoğan-Regime nutzt einen Anschlag der kurdischen Arbeiterpartei PKK Anfang Oktober in Ankara als Rechtfertigung, mit einer sogenannten Luft-Boden-Offensive Staatsterror gegen Rojava zu verüben. Nicht zum ersten Mal bedient sich die Türkei des allseits etablierten Terrorverdikts, die Lebensgrundlagen der Menschen in der Autonomieregion zu vernichten.

Das betont auch der Verein der Familien für den Frieden, der auf eine Initiative von Eltern zurückgeht, deren Kinder sich für den Aufbau einer multiethnischen und demokratischen Gesellschaft in den selbstverwalteten Gebieten im Nordosten Syriens engagieren. In einer Mitteilung kritisiert die Organisation, dass die türkische Armee unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung lebensnotwendige Infrastruktur wie Krankenhäuser, Bäckereien, Produktionsanlagen für Baumaterial und Tierfutter, Anlagen zur Energie- und Wasserversorgung vernichtet, die internationale Gemeinschaft aber darüber hinwegschaut.

„Der NATO-Partner Türkei kann unter dem Deckmantel des Schweigens der internationalen Politik den Luftraum über der Region seit Jahren nach Belieben nutzen und die Verbündeten im Kampf gegen den IS bombardieren“, stellt der Verein fest. Immer wieder angekündigt und vorbereitet versuche die Türkei weite Teile Nord- und Ostsyriens unbewohnbar zu machen und die Menschen zur Aufgabe ihrer Heimat zu zwingen. „Die Transformation der Region zu einer demokratischen, multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft ist eine permanente Provokation für die autoritäre türkische Regierung.“ Der Verein fordert die sofortige Einstellung der türkischen Aggression, eine Flugverbotszone über der Region und internationale Unterstützung des Wiederaufbaus.

Langjähriger Staatsterror gegen Nord- und Ostsyrien

Schon seit Jahren erfolgen im Rahmen eines wie nach den Lehrbüchern der NATO-Aufstandsbekämpfung geführten „Krieges niedriger Intensität” türkische Artillerie- und Drohnenangriffe gegen Nord- und Ostsyrien. Nahezu täglich greift die türkische Armee das Gebiet an und zerstört Wohngebiete sowie lebenswichtige Infrastruktur. Zudem hat die Türkei seit 2016 bereits in drei Angriffskriegen große Teile Rojavas besetzt, darunter die Efrîn-Region, Serêkaniyê und Girê Spî. Den Vorwand des Anschlags der PKK hätte Ankara somit gar nicht benötigt.

Auch bei der jetzigen Angriffswelle zerstört die Türkei gezielt die zivile Infrastruktur, jedoch in einer ungewöhnlichen Intensität und Geschwindigkeit. Die Attacken haben Ölförderanlagen, Elektrizitäts- und Umspannwerke, Staudämme, Krankenhäuser, Wasserpumpstationen, Tankstellen, Fabriken und Dörfer getroffen. Schweren Bombardements ausgesetzt wurde auch das zentrale Gaskraftwerk der Autonomieregion – das einzige, noch funktionierende Kraftwerk in Nordostsyrien, das bisher die gesamte Region mit Gas und Strom versorgte. Gleichzeitig war es auch Abfüllstation für die Gasflaschen der Haushalte.

Mehr als zwei Millionen Menschen sind aufgrund des Zerstörungswahns des türkischen Diktators Erdoğan von der Grundversorgung mit Strom, Wasser und Gas abgeschnitten, vielerorts ist eine Energieinfrastruktur inzwischen nicht mehr vorhanden. Der Sachschaden kann noch nicht genau beziffert werden, beläuft sich jedoch allein für das zentrale Gaskraftwerk auf etwa 100 Millionen Dollar. Der Türkei geht es offensichtlich darum, die Lebensgrundlage der Bevölkerung Nord- und Ostsyriens vollständig zu vernichten.

Dreitägige Trauer für die Toten

Seit Montag gilt in der Autonomieregion eine dreitägige Trauer. Diese war nach den schweren Luftangriffen von Sonntagnacht auf die Zentrale der Asayîş in Dêrik (Al-Malikiya) ausgerufen worden. Bei den Attacken waren 29 Angehörige der Anti-Drogen-Einheit der Behörde für innere Sicherheit getötet und weitere 28 verletzt worden. Weitere Todesopfer forderte gestern ein türkischer Artillerieangriff auf ein Dorf bei Ain Issa. Dabei handelt es sich um zwei Geschwister im Alter von neun und acht Jahren. In der Nähe von Dirbêsiyê (Al-Darbasiyah) hat die türkische Luftwaffe kurz darauf auf eine Baumwollplantage gezielt. Fünf Zivilistinnen, die sich dort zur Ernte aufhielten, wurden teils schwer verletzt, darunter eine Minderjährige. Der Generalkommandant der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD), Mazlum Abdi, hat am Montag eine entschlossene Reaktion auf die Angriffe der Türkei angekündigt.