Fall Kavala: Türkei wirft EGMR Politisierung vor

Die türkische Justiz wirft dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Fall des inhaftierten Philanthropen Osman Kavala Politisierung vor.

Der türkische Justizminister hat dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im Fall des inhaftierten Philanthropen Osman Kavala Politisierung vorgeworfen. „Wir alle sehen, was für ein politischer Prozess dort abläuft. Leider diskutiert der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das Thema außerhalb der juristischen Dimension“, sagte Justizminister Yılmaz Tunç am Donnerstag vor Journalisten in der Nationalversammlung in Ankara. Zuvor hatte es einen Besuch des Türkei-Berichterstatters des Europäischen Parlaments, Nacho Sanchez Amor, bei Kavala im berüchtigten Strafvollzugskomplex Marmara (früher Silivri) nahe Istanbul gegeben.

Der EGMR hatte Kavalas Haft als politisch motiviert eingestuft und mehrmals seine Freilassung angeordnet. Der 66-Jährige sitzt seit über sechs Jahren im Zusammenhang mit den regierungskritischen Gezi-Protesten von 2013 im Gefängnis. Die Türkei ignoriert jedoch die Urteile aus Straßburg. Ende September hatte der türkische Kassationshof eine 2022 gegen Kavala verhängte erschwerte lebenslange Freiheitsstrafe wegen eines versuchten Umsturzes bestätigt. Justizminister Tunç bezeichnete die Gezi-Proteste heute als eine gewalttätige „Aufstandsbewegung“.

Osman Kavala ist Gründer der Kulturstiftung Anadolu Kültür, mit der insbesondere Projekte von ethnischen und religiösen Minderheiten gefördert werden, oftmals mit internationaler Ausrichtung. Zu seinen Anliegen gehören unter anderem die Aussöhnung zwischen der türkischen und der armenischen Bevölkerung und eine friedliche Lösung der kurdischen Frage. Die Stiftung arbeitet auch mit mehreren deutschen Institutionen wie dem Goethe-Institut in Istanbul zusammen. Auch als Sponsor von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International machte sich Kavala einen Namen.