Die Europäische Grüne Partei befürwortet einen demokratischen Wandel in der Türkei. Im Vorfeld der Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am Sonntag haben die Ko-Vorsitzende Mélanie Vogel und die Vorstandsmitglieder Mina Jack Tolu und Vula Testsi eine gemeinsame Stellungnahme veröffentlicht, in der sie den Einsatz „für eine demokratische, ökologische, frauenrechtsbasierte und freie Türkei“ unterstützen und einen fairen Wahlablauf anmahnen. Die Europäischen Grünen umfassen 39 grüne Parteien aus 34 europäischen Staaten.
„Recep Tayyip Erdoğan hat die Türkei in den letzten 20 Jahren regiert. In den letzten zehn Jahren ist seine Regierung sowohl innerhalb der Türkei als auch im Ausland immer autoritärer geworden. Seine Angriffe auf die kurdische Gemeinschaft in der Türkei und in den Nachbarländern dauern bis heute an. Sein hartes Durchgreifen gegen politische Gegner, unabhängige Medien, akademische Freiheit und Frauenrechte hat die Türkei für einige der systematischsten Menschenrechtsverletzungen in Europa berüchtigt gemacht“, stellen die Europäischen Grünen in ihrer am Freitag veröffentlichten Erklärung fest.
Missmanagement, Polarisierung und Korruption
Erdoğans Missmanagement der Wirtschaft habe die Türkei an das Ende der OECD-Länder gebracht, „egal welche Indikatoren man verwendet“, heißt es weiter in der Erklärung: „Die Inflation ist ins Unermessliche gestiegen, und ein wachsender Teil der Bevölkerung kann sich Lebensmittel und andere Grundbedürfnisse nicht mehr leisten. Die Regierung hat darauf mit der Verunglimpfung zahlreicher gesellschaftlicher Gruppen reagiert: Journalist:innen, Akademiker:innen, Frauen, LGBTI-Personen - die Liste ist endlos. Die Polarisierung ist extrem und unerträglich geworden. Und last but not least: Erdoğans Herrschaft ist gekennzeichnet durch zügellose Korruption und Klientelismus, einschließlich der brutalen Ausplünderung und Ausbeutung von Natur und öffentlichem Vermögen zum persönlichen Vorteil. Am tragischsten wurde dies durch die schockierende Unvorbereitetheit und die inkompetent durchgeführten Rettungsmaßnahmen nach dem Erdbeben im Februar 2023 veranschaulicht. Mehr als 50 000 Menschen starben in der Türkei, und Hunderttausende sind noch immer verletzt oder vertrieben worden.“
Wiederherstellung der Demokratie in der Türkei
Die Europäischen Grünen betonen ihre Solidarität mit den Bürgerinnen und Bürgern und den politischen Parteien, die einen demokratischen Wandel in der Türkei anstreben: „Wir sind fest davon überzeugt, dass eine demokratische Türkei notwendig, möglich und wünschenswert ist. Meinungsumfragen zeigen immer wieder, dass die Mehrheit weder Erdoğan noch seine Verbündeten unterstützt. Bei dieser Wahl geht es in erster Linie um die Wiederherstellung der Demokratie in der Türkei.“
Unterdrückung der Opposition
Dass das Erdoğan-Regime beschlossen habe, seine politischen Rivalen zu unterdrücken, sei „beschämend“, heißt es weiter in der Erklärung: „Wir verurteilen die systematische Unterdrückung und das politisch motivierte Verbotsverfahren, das von Erdoğan eingeleitet wurde, um die HDP (Demokratische Partei der Völker) vom Wahlkampf auszuschließen. Deshalb hat die HDP beschlossen, unter dem Banner der Grünen Linkspartei in den Wahlkampf zu ziehen und sie mit voller Kraft zu unterstützen, um gemeinsam mit ihr die Wahlen zu bestreiten. In den letzten Wochen wurden Hunderte von Oppositionsmitgliedern, insbesondere der HDP und der Partei der Grünen Linken, verhaftet - darunter Politiker:innen, Rechtsanwält:innen und Journalist:innen. Dutzende von ihnen befinden sich bis heute in Haft. Am vergangenen Wochenende griff eine den Regierungsparteien nahestehende gewalttätige Bande die Opposition bei Kundgebungen und Wahlkampfveranstaltungen in verschiedenen Städten an. Dabei wurden mehrere Menschen verletzt. Unser tiefes Mitgefühl und unsere Hoffnung auf baldige Genesung gelten den Opfern dieser abscheulichen Angriffe. Wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass es sich nicht nur um Angriffe auf einzelne Bürger und Kandidaten handelt, sondern um Angriffe auf den demokratischen Prozess.“
Ein neues Kapitel für die Türkei und das übrige Europa
Die Europäischen Grünen weisen darauf hin, dass die jüngsten politischen Repressionen auf eine „jahrelange eklatante Missachtung grundlegender demokratischer Regeln“ folgen. Die heutige Türkei sei kein freies und demokratisches Land, aber es zeichne sich ein Wandel ab:
„Wir erwarten eine außerordentliche Mobilisierung der Bürgerinnen und Bürger der Türkei, damit sie ihre demokratischen Rechte wahrnehmen und am Sonntag zur Wahl gehen. Wir appellieren an die türkischen Behörden, sich nicht in den Wahlprozess einzumischen und sich für freie und faire Wahlen einzusetzen. Und wir senden unsere Unterstützung an unsere Partner:innen und Freund:innen, die sich für eine demokratische, ökologische, frauenrechtsbasierte und freie Türkei einsetzen. Wir hoffen, dass ein neues Kapitel für die Türkei und das übrige Europa aufgeschlagen wird. Wir freuen uns darauf, es gemeinsam zu schreiben.“