Der neuerliche Repressionsschlag der türkischen Regierung gegen die demokratische Opposition in der Türkei ruft weiterhin international Empörung hervor. Die Europaabgeordneten Özlem Alev Demirel und Martin Schirdewan fordern die unverzügliche Freilassung der Festgenommenen und bekunden Solidarität mit der HDP. Dem Erdoğan-Regime werfen sie politisches Kalkül vor und warnen vor einer Verschärfung der sozialen und wirtschaftlichen Konflikte.
Vergangenen Freitag wurden in der Türkei Anordnungen zur Festnahme von insgesamt 82 Mitgliedern der Opposition erlassen. Die Betroffenen sind vor allem Mitglieder der Demokratischen Partei der Völker (HDP), unter ihnen der Ko-Bürgermeister von Qers (türk. Kars) sowie ehemalige Parlamentsabgeordnete und Parteispitzen der HDP. Auch Aktivistinnen und Aktivisten der „Bewegung der Namenlosen“ sind betroffen. Die Sprecherin der „Partei für Soziale Freiheit“, Perihan Koca, wurde in einem separaten Verfahren in Gewahrsam genommen.
Begründung für Festnahmen mehr als grotesk
Martin Schirdewan, Ko-Vorsitzender der EP-Linksfraktion GUE/NGL, findet die Begründung für die Festnahmeanordnungen mehr als grotesk. Die türkische Justiz wirft den festgenommenen und gesuchten HDP-Mitgliedern vor, für Demonstrationen im Oktober 2014 verantwortlich zu sein, bei denen mehrere Menschen durch die Gewalt der türkischen Sicherheitskräfte und paramilitärischen Strukturen ums Leben gekommen waren. „Diese Demonstrationen wurden in Solidarität mit den Menschen in Kobanê in Nordsyrien organisiert, als die Stadt unter der Belagerung des sogenannten Islamischen Staates litt“, so Schirdewan.
Versuchte Kriminalisierung der HDP
Weiter führte der Linkspolitiker aus, dass die Festnahmen rechtstaatlich nicht zu begründen seien. „Sie geschehen aber auch nicht willkürlich, sondern folgen politischem Kalkül: Das Erdoğan-Regime versucht so einmal mehr, die HDP zu kriminalisieren und dadurch auch die demokratische Opposition in der Türkei zu spalten. Wir sind uns sicher, dass der jüngst eingeschlagene Weg des Einschüchterns und der Repression der bürgerlichen und demokratischen Opposition die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Probleme der Türkei nicht lösen, sondern vielmehr verschärfen wird.“
Sukzessive Vergrößerung der Repression gegen Opposition
Die stellvertretende Vorsitzende der Delegation des Europaparlaments für die Beziehungen zur Türkei, Özlem Alev Demirel, ergänzt: „Wir sind äußerst besorgt über diese Entwicklung. Sie zeigt deutlich, dass sich das Ausmaß der Repression gegen die demokratische Opposition in der Türkei sukzessive vergrößert. Es ist zu befürchten, dass in den nächsten Tagen auch gegen jene Abgeordneten der HDP Verfahren eingeleitet werden, die im Oktober 2014 in der Führung der Partei tätig waren. Derartige Verfahren können die Aufhebung ihrer Immunität zur Folge haben.“ Die Befürchtung Demirels wird vermutlich schon bald zur bitteren Realität: Die Generalstaatsanwaltschaft von Ankara hat bereits angekündigt, Verfahren zum Mandatsentzug gegen sieben HDP-Abgeordnete eingeleitet zu haben.
EU-Kommission darf sich nicht beirren lassen
Demirel fordert, dass die EU-Kommission sich nicht durch den jüngsten Verhandlungswillen des Erdoğan-Regimes in der Frage des östlichen Mittelmeeres beirren lässt. „Sie darf nicht zulassen, dass diese an sich zu begrüßende Entspannung in internationalen Fragen zur Überdeckung der zunehmenden Repression in der Türkei genutzt wird.“