„Erwartet keinen Friedensprozess mehr, das ist vorbei“

Die Türkei will Rojava besetzen, Erdoğan erteilt einer Lösung der kurdischen Frage eine dauerhafte Absage, Kurdinnen und Kurden sind in einen unbefristeten Hungerstreik getreten.

Das Kurdische Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit, Civaka Azad, hat sich in einer Presseerklärung zu den Hintergründen der kurdischen Hungerstreiks in Europa, Kurdistan und der Türkei sowie zur Rolle Europas geäußert:

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan kündigte vor wenigen Tagen an, in kürzester Zeit eine Militäroffensive gegen die Selbstverwaltungsgebiete im Norden Syriens zu starten. Am gestrigen Montag drohte er während einer Rede in der türkischen Stadt Konya, die Vorbereitungen der türkischen Armee seien abgeschlossen und die Offensive nur noch eine Frage der Zeit. Erdoğan erteilte in seiner Rede Hoffnungen auf einen baldige Lösung der kurdischen Frage mit friedlichen Mitteln eine Absage: „Erwartet nicht noch einmal einen Friedensprozess, das ist vorbei."

Unbefristete Hungerstreiks in Europa und der Türkei

Leyla Güven, inhaftierte HDP-Abgeordnete und Ko-Vorsitzende des zivilgesellschaftlichen Zusammenschlusses DTK (Demokratischer Gesellschaftskongress), fordert seit über 40 Tagen mit einem Hungerstreik die Aufhebung der Isolation des PKK-Gründers Abdullah Öcalan. Sie macht damit auf die herausragende Bedeutung Abdullah Öcalans für eine politische Lösung der Konflikte in der Türkei und dem gesamten Mittleren Osten aufmerksam. Bereits im Jahr 2012 hatte ein Hungerstreik vom 12. September bis zum 18. November in den türkischen Gefängnissen dazu geführt, dass türkische Staatsvertreter Friedensgespräche mit Abdullah Öcalan begannen.

Am Sonntag, dem 16. Dezember, sind nun dreißig PKK- und PAJK-Gefangenen aus Gefängnissen in den Städten Amed, Gebze, Kandira, Wan und Patnos in der Türkei mit denselben Forderungen wie Leyla Güven in einen unbefristeten Hungerstreik getreten. Seit Montag, dem 17. Dezember, findet auch in Straßburg ein unbefristeter Hungerstreik statt. An der Aktion beteiligen sich 15 Menschen, darunter die ehemalige HDP-Abgeordnete und Nichte des kurdischen Vordenkers, Dilek Öcalan, die Journalistin Gulistan Çiya İke und der Ko-Vorsitzende des kurdischen Dachverbandes KCDK-E, Yüksel Koç.

Mitverantwortung Europas für Erfolg oder Scheitern von Friedensgesprächen

Der Ko-Vorsitzende des türkischen Menschenrechtsvereins IHD, Öztürk Türkdoğan, erklärte bezüglich der Hungerstreiks in der Türkei und in Europa gegenüber Civaka Azad: „Es ist sehr wichtig, dass die kurdische Bewegung beim Thema Frieden immer wieder auf Öcalan als Gesprächspartner verweist. Wenn eine Seite erklärt, dass Öcalan sie repräsentiert, muss man dies respektieren. Einer der Gesprächspartner ist Öcalan. Der andere ist der türkische Staatspräsident Erdoğan.“ Türkdoğan betonte, eine entschlossene Mitwirkung der EU, des Europarats und der NATO hätte den Friedensprozess von 2013 unterstützen können und machte auf die Rolle der europäischen Länder für die Lösung der kurdischen Frage aufmerksam: „Der Europarat hätte für eine Friedenspolitik in der Türkei noch aktiver werden können. Dann wäre der Krieg nicht derart eskaliert. Ich möchte nicht sagen, dass eine Unterstützung der europäischen Staaten den Friedensprozess zwangsläufig zum Erfolg geführt hätte, aber es hätte die Türkei gezwungen, am Friedenstisch zu bleiben.“

Zuletzt machte der IHD-Ko-Vorsitzende auf die herausragende Bedeutung eines Friedens in der Türkei aufmerksam: „Ein innerer Frieden in der Türkei wird sich direkt auf Syrien und den Irak auswirken. Ein Frieden in der Türkei wird den Mittleren Osten beruhigen. Wenn der Friedensprozess in der Türkei nicht zusammengebrochen wäre, würde der Bürgerkrieg in Syrien nicht so lange dauern und hätte unter Umständen früher geendet. Auch im Irak hätte es nicht so viele Probleme und eine derartige Instabilität gegeben."