Ermittlungen zum IS-Hochzeitsmassaker in Dîlok versanden

Die Angehörigen der Opfer des Beybahçe-Massakers in Dîlok (Antep) in der Osttürkei vor zwei Jahren beschweren sich bitter über die ausbleibende juristische Aufarbeitung.

Bei dem IS-Anschlag am 20. August 2016 auf die Hochzeit einer kurdischen Familie in Dîlok wurden 56 Personen, 40 davon Minderjährige, getötet und 69 Personen verletzt. Die Angehörigen der Opfer protestieren gegen das schleppende Vorgehen der Behörden. Zeynel Çelikten wirft den Verantwortlichen Wortbruch vor. Der beim Massaker verletzte Musiker Mesut Garsi sagt zu den Entschädigungen für die Opfer: „Auch eine Millionenzahlung könnte diesen Schmerz nicht beenden.“

„Dieser Tag war mein Weltuntergang“

Zeynel Çelikten hat bei der Explosion seinen 15-jährigen Sohn Abdulhalim verloren. Er beschreibt den Tag der Explosion als seinen „persönlichen Weltuntergang“. Er war einer der ersten, der nach der Explosion den Anschlagsort erreichte, und erzählt, wie er, nachdem er den Tatort gesehen hatte, zusammenbrach: „Die Luft war voll von Pulverdampf, dem Geruch von Blut und Fleisch. Gegen Abend war mein Sohn nach dem Essen ins Viertel gegangen. Wir hatten ein Treffen im Verein und waren deshalb in der Nähe. Nach nicht einmal einer Stunde hörten wir großen Lärm. Als wir dorthin eilten, sagten uns Bekannte, die wir auf dem Weg trafen: ‚Alle auf der Hochzeit sind tot.‘ Ich werde diesen Tag niemals vergessen.“

„Weil wir Kurden sind, diskriminieren sie uns“

Nach der Explosion sei er von den Behörden nicht einmal befragt worden, sagt Çelikten. Die Verantwortlichen des Staates hätten ihr Wort gebrochen, den Massenmord aufzuklären. Er fährt fort: „Heute ist der zweite Jahrestag. Zum vergangenen Jahrestag kam niemand zu uns. Diese Lügen vertiefen unser Leid noch mehr. Niemand teilt unseren Schmerz. Es geht uns nicht um Geld. Wir wollen nur moralische Unterstützung. Wir werden jedoch diskriminiert.“

Zwangsvertreibung, Erdbeben, Gefängnis, IS…

Der Musiker Mesut Garsi trat bei der Hochzeit auf und überlebte den Anschlag nur knapp. Schon als Kind ist er mit seiner Familie aus einem der Dörfer von Sêrt (Siirt) durch das türkische Militär vertrieben worden. Ab seinem zehnten Lebensjahr wuchs er als Papiersammler auf den Straßen von Adana auf. Mit dem Erdbeben von 1998 musste er nach Dîlok umziehen. Dort war er politisch aktiv und kam für Jahre ins Gefängnis. Vor zwei Jahren wurde er vom IS schwer verletzt.

„Ich dachte, ich sterbe jetzt“

Garsi kannte alle Minderjährigen, die auf der Hochzeit getötet wurden, von Geburt an. Er erzählt von der Nacht der Detonation: „Es war gegen 22.30 Uhr, ich wollte gerade Schluss machen. Die Anwesenden forderten mich auf, weiter zu spielen, und ich sprach mit ihnen darüber, ob ich weitermachen sollte. Dann explodierte die Bombe. Als die Bombe detonierte, dachte ich erst, ein Gerät sei explodiert. In dem Moment erhielt ich einen Stromschlag und dachte, jetzt ist es zu Ende. Ich habe nur überlebt, weil vor mir viele Menschen standen. Obwohl ich schwer verletzt war, war ich bei Bewusstsein. Die Szene nach der Explosion ist immer noch vor meinen Augen. Die Krankenwagen kamen sehr spät. Wenn die Anwesenden die Verletzten nicht selbst ins Krankenhaus gebracht hätten, hätte es noch viel mehr Tote gegeben. Als mein Bruder mich dort sah, erlitt er einen Schock. Er wollte sein Auto holen, um mich ins Krankenhaus zu bringen. Da er unter Schock stand, konnte er nicht einmal sein Auto finden.“

„In den Augen des Staates sind die Kurden wertlos“

Garsi sagt, sein Leben sei vor der Explosion schön gewesen, aber danach habe sich alles verdunkelt, er könne das Leben nur noch schwer ertragen. Garsi sagt: „Die Jugendlichen, die ich seit ihrer Kindheit kenne, sind vor meinen Augen gestorben. Wenn ich zu einer Hochzeit gehe, dann tauchen vor meinen Augen die Kinder und Jugendlichen auf, die an diesem Tag tanzten. Was für eine Sünde haben diese Kinder begangen? Sechzig Menschen wurden umgebracht. Es sind nun zwei Jahre vergangen. Die juristische Aufarbeitung ist keinen einzigen Schritt vorangekommen. Es ist noch nicht einmal bekannt, wer das getan hat. Wenn der Staat wollte, würde er das sofort herausfinden, aber er will nicht. Die Toten sind alles Kurden. Der Staat rührt keinen Finger für die Kurden. Denn in den Augen des Staates sind wir wertlos.“