Das Oberlandesgericht (OLG) Thüringen hat eine IS-Rückkehrerin am Montag zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Nach Überzeugung des Gerichts machte sich die 26-Jährige der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland schuldig und verstieß gegen das Waffenrecht. (Az.: 3 St 2 BJs 368/19)
Die Anklage gegen Kristin L. umfasste neben der IS-Mitgliedschaft auch Verstöße gegen das Waffenrecht und Beihilfe zur Körperverletzung. Das OLG in Jena sah es als erwiesen an, dass die 1996 in Erfurt geborene Deutsche im März 2015 – gemeinsam mit Leonora Messing – über die Türkei nach Syrien ausgereist war und sich in Raqqa der Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) angeschlossen hatte. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der IS auf dem Höhepunkt seiner Macht und rief sunnitische Muslime weltweit auf, nach Syrien zu reisen, um für das selbsternannte „Kalifat“ zu kämpfen. Das Weltbild der Terrormiliz und ihre gewaltsame Vorgehensweise habe L. zunächst geteilt und befürwortet.
Durch ihre Heirat mit dem Dschihadisten Semih U. und mit der Haushaltsführung für diesen sowie der Erziehung des 2016 geborenen gemeinsamen Kinds habe Kristin L. die Beteiligung ihres Ehemanns an den „Kampfhandlungen“ des IS unterstützt und sich selbst in die Organisationsstrukturen der Miliz eingefügt. Konkret wurde ihr seitens der Bundesanwaltschaft vorgeworfen, mit ihrer Rolle als „Hausfrau“ die Kampfbereitschaft ihres Partners aufrechterhalten zu haben. Ihre gemeinsame Tochter soll sie im Sinne der IS-Ideologie erzogen haben, sie selbst soll zuvor Glaubenskurse des IS absolviert haben. Vom IS seien der Familie im Gegenzug unter anderem Wohnungen und Geld zur Verfügung gestellt worden. Von Syrien aus soll Kristin L. zudem versucht haben, andere Frauen in Deutschland zu einer Ausreise zum IS zu bewegen. Sie habe zeitweise ein Schnellfeuergewehr und eine Schrotflinte besessen, die sie als Brautgabe von ihrem Ehemann erhalten habe.
Nach dem Tod ihres Mannes gerieten Kristin L., die sich „Umm Musa al-Almani“ nannte, und ihre Tochter während der von den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) angeführten Befreiungsoffensive „Gewittersturm Cizîrê“ im März 2019 in Gefangenschaft und kam in ein von der Autonomieverwaltung betriebenes Auffanglager. Laut Anklage soll sie sich dort an einem Angriff mehrerer IS-Dschihadistinnen auf eine „abtrünnige“ Mitgefangene beteiligt haben. Im Oktober vergangenen Jahres wurde L. zusammen mit drei weiteren IS-Frauen, sieben Kindern und einem Heranwachsenden von der Bundesregierung nach Deutschland zurückgeholt. Seitdem saß sie in Untersuchungshaft.
Die Angeklagte legte den Angaben zufolge ein „weitgehendes und glaubhaftes Geständnis“ ab, was bei der Bemessung des Strafmaßes berücksichtigt worden sei. Mit seinem Urteil blieb das OLG unter dem Antrag der Bundesanwaltschaft, die eine Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten gefordert hatte. Die Verteidigung beantragte eine Jugendstrafe von einem Jahr und vier Monaten. Der Haftbefehl gegen die Frau wurde mit dem Urteil, das noch nicht rechtskräftig ist, aufgehoben.